Silberschwester - 14
Menschenverstand … Das war
also vor langer Zeit, aber ich erinnere mich noch ganz genau daran. Siehst du,
da war meine Frau gestorben …«
»Du hast mir
nie gesagt, dass du verheiratet warst«, fiel sie ihm ins Wort … und schämte
sich doch über den Unterton von Eifersucht in ihrer Stimme.
»Nur deshalb,
weil du erst ein süßes Ding von sechs Lenzen warst, als sie starb!«, sagte er,
schon wieder lächelnd.
»An einer
Krankheit?«
»Am Alter«,
sagte er. »Das Unglück unseres Geschlechtes ist, dass wir jung bleiben und die
überleben, die wir lieben. Doch das ist jetzt nicht das Thema. Meine Maria war
mir eine gute Frau, und sie ist friedlich im Schlaf hinübergegangen, und so
habe ich sie, in zwei Ellen meines Plaids, bei Vollmond dort draußen im Moor
begraben. Ja, ich hab ihr sogar ein Steinmal errichtet, sodass ich sie von Zeit
zu Zeit besuchen konnte.«
»Die Frau von
Tamhasg?«, hauchte Ginny. »Zu ihr bist du also immer gegangen!
»Allerdings«,
erwiderte er. »So waren zehn Jahre vergangen, ohne dass ich ihren Todestag auch
nur einmal vergessen hätte. In so einer Nacht ist mir der Schwarze Jäger
begegnet … Er kam auf einer kohlschwarz verhüllten Knochenmähre übers Moor
geritten. Ihre Hufe streiften kaum das Heidekraut … und es war doch eine
Hufgedonner wie von tausend Rossen.«
Da runzelte
Ginny die Stirn – so poetisch langatmige Geister konnte sie nicht leiden. »Er
traf dich am Steinmal?«, fragte sie und hoffte, dass er mit seiner Geschichte
zu Ende käme – ehe das Krähen des Hahns ihn zu Aufbruch und Flucht zwänge.
Er stützte das
Kinn in die Hände, die Ellbogen auf die Knie gedrückt, und sagte: »Also, ich
war am Grabmal und ertränkte meinen Schmerz, als er daherkam, auf der Suche
nach sterblichen Seelen, zur Besänftigung seines Herrn! Der Anblick seines
grimmigen Gesichts, der glühenden Augen ließ mir die Knie unterm Kilt zittern,
aber das Bier, das meinen Schmerz gestillt hatte, das verlieh meiner Zunge
darauf mehr Schneid, als für mich gut war …«
»Aber nicht
den dazugehörigen Grips!«, sagte Ginny und kniff die Augen zusammen.
»Ich forderte
diesen Kerl heraus«, fuhr Manus fort, als hätte er ihren Einwurf nicht gehört.
»Und ich beschwor einen Ring aus weißem Zauberfeuer, fing ihn darin, ehe er
fliehen konnte. Leider war nur ich außerhalb des Feuerrings in Sicherheit,
nicht aber das Grabmal meiner geliebten Maria. Also drohte er mir aus Zorn über
seine Gefangenschaft, es durch seine Mähre vor meinen Augen niederreißen zu
lassen. Ich war schon außer mir vor Angst, dass der herzlose Schwarze seine
grausame Drohung wahr machte, als mir einfiel, dass alle von seiner Art doch
eine Schwäche haben … so wie ich eine fürs Heidebier …«
Ginny schloss
die Augen. »Du hast nicht etwa …«
»Aber ja!«,
rief Manus und reckte sich. »Ich bat ihn, Marias Grabmal zu verschonen, bot ihm
dafür meine Seele, die, wie jeder weiß, als die eines Zauberbürtigen von
unschätzbarem Wert ist. Ja, ich schwor, wenn er das Mal verschone und mir noch
sieben Jahre gäbe, meine Angelegenheiten zu regeln, mit Freuden sodann meine Seele
für Arawns Kessel hinzugeben.«
Ginny seufzte.
Sieben Jahre. Diese Art Pakt war so alt wie die Märchen, die Großmütter ihren
Enkeln erzählten … So alt wie die Alten Einen, von denen angeblich alle
Zauberbürtigen abstammten. »So, du bist seit zwei Jahren tot, und ich wohne
seit fünfen hier …«
»Ja, diesen
dummen Handel schloss ich zwei Jahre vor deinem Auftauchen ab …«, sagte er.
»Dann ist es
diese Nacht?«
»Ja! Marias
Todestag vor sieben Jahren … und sieben Jahre seit der Nacht, da ich, so vom
Heidekrautbier benebelt, dem Schwarzen Jäger begegnet bin.«
»Wann wird er
kommen, um dich zu holen?«, fragte sie und nahm Distel, der das Gespringe durch
den Geist des Zauberbürtigen satt hatte und jetzt um ihre Aufmerksamkeit
bettelte, in die Arme, und da beruhigte er sich nach kurzem Sträuben und machte
es sich bald, schwanzwedelnd und schnaufend, bequem.
»Die
Mitternachtsstunde ist seine Zeit«, sagte Manus nun und erhob sich vom Boden.
»Was bedeutet, dass ich mich am besten auf den Weg mache!«
»Was?«, rief
sie und sprang, den Moorterrier in ihren Armen, vom Sessel auf.
»Ich will dich
nicht unnötig einer Gefahr aussetzen, Kleines«, erwiderte er. »Das schulde ich
dir allein für deine Liebenswürdigkeit, meinen Worten zu lauschen.«
»Du meinst … du
willst einfach aufgeben?«
»Mir bleibt
keine andere
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