Silberstern Sternentaenzers Sohn 05 - Die alte Prophezeiung
aus Lilienthal zwar bisher noch nicht kennengelernt, aber er wusste aus Annits Erzählungen, dass sie ihre beste Freundin war.
„Hm!“, machte Annit nur kurz. Sie mochte gerade weder über Carolin sprechen noch an sie denken. Das letzte Telefonat mit der Freundin ging ihr immer noch nach.
„Auf jeden Fall müssen wir noch bleiben, bis das Haus fertig renoviert ist“, beantwortete Mannito schließlich seine Frage nach dem Zeitplan selbst.
„Und bis wir endlich die Antworten von meinen Großeltern haben“, ergänzte Annit.
Elena und Achmed hatten keinen Kontakt mehr zu ihren Familien. Elenas griechische Familie hatte der Tochter nie verziehen, dass sie sich in einen einfachen türkischen Bauern verliebt hatte, mit ihm auf und davon gelaufen und dann auch noch unehelich schwanger geworden war. Achmeds türkische Familie empfand die uneheliche Schwangerschaft ebenfalls als unerträgliche Schande und konnte nicht akzeptieren, dass ihr Sohn mit einer Griechin zusammen war. Doch die Liebe von Elena und Achmed war stärker gewesen als alles andere. Zusammen waren die beiden nach Dedeli geflüchtet und hatten hier ein neues Leben begonnen. In bitterer Armut, aber voller Liebe.
Um ihrer gemeinsamen Tochter ein Leben voller Verzicht und Anfeindungen zu ersparen, hatten sie Annit als Baby zur Adoption freigegeben. „Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens, und es gab keinen Moment, in dem ich nicht an dich gedacht hätte“, hatte Elena bekannt. Jahrelang hatte Annit glücklich und zufrieden bei ihren Adoptiveltern gelebt. Bis zu jenem verhängnisvollen Tag, an dem sie zufällig im Keller eine Bibel, eingebunden in altes, braunes Leder, gefunden hatte. „Für Annit. Mögest Du uns irgendwann verzeihen. In Liebe, Deine Eltern“, lautete die Widmung darin. Diese Bibel war das Einzige gewesen, was Elena ihrem Kind damals mitgegeben hatte. Daraufhin hatten Annits Adoptiveltern ihr die Wahrheit erzählt. Für Annit war damals eine Welt zusammengebrochen. Von einer Minute zur nächsten war nichts mehr so gewesen wie früher. Annit wusste nur noch eines: Sie musste ihre leiblichen Ekern finden. Fünfzehn Jahre lang war der Bau ernhof ihr Zuhause gewesen, doch fortan wurde sie von einer steten Unruhe getrieben. Sie hatte die Schule abge brochen und war zu Roccos Zirkustruppe gestoßen. Ihre Adoptiveltern waren zwar einverstanden gewesen, doch den traurigen Blick ihrer Mutter beim Abschied würde sie nie wieder vergessen. Nach einer langen und beschwer lichen Reise war sie schließlich hier in Dedeli gelandet - und nach langem Forschen und Bohren hatte Elena ihr die ganze Familiengeschichte erzählt. Annit hatte beschlos sen, die Familien wieder zusammenzuführen, und Briefe an ihre Großeltern geschickt.
„Falls sie überhaupt jemals antworten “, meinte Mannito skeptisch.
„Sie werden“, sagte Annit überzeugt. „Das spüre ich.“
Mannito warf der Freundin einen zweifelnden Blick zu, drehte sich dann zur Seite und versuchte zu schlafen.
„Nicht so, Annit! Du musst den Ziegelstein andersrum drehen“, korrigierte Achmed sie mit sanfter Stimme.
Annit musste schmunzeln. Sie dachte daran, wie sie anfangs so gar keinen Zugang zu dem zurückhaltenden, eher verschlossenen Türken gefunden hatte, der ihr Vater war. Mit seinen dunklen ernsten Augen, seinem lockigen schwarzen Haar und dem schwarzen Schnauzbart hatte er manchmal sogar richtiggehend Furcht einflößend auf sie gewirkt. Inzwischen hatte sie jedoch festgestellt, dass unter der harten Schale ein sehr weicher Kern steckte.
Annit nickte und drehte den jrostroten Ziegelstein um, den sie falsch herum in Händen gehalten hatte. Dann setzte sie ihn in den feuchten Mörtel.
„Gut, genau so ist’s richtig“, lobte Achmed und klatschte eine weitere Kelle Mörtel darauf, um den Stein festzumauern.
Mannito karrte mit einer quietschenden Schubkarre Nachschub herbei. Stöhnend kam er neben Achmed und Annit zum Stehen und stellte die schwere Fuhre ab. „Hier, mehr Steine!“
Achmed wischte sich mit der Handfläche den Schweiß von der Stirn und blickte sich um. „Wir kommen gut voran“, sagte er zufrieden. Die wenigen Worte aus dem Mund des meist wortkargen Mannes bedeuteten ein Riesenlob.
Mannito klatschte sich auf die Brust. „Wir sind das beste Team der Welt!“
„Kleine Pause für meine fleißigen Arbeiter!“ Elena kam mit einem vollen Tablett aus dem Haus.
Lauwarmer
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