Silberstern Sternentaenzers Sohn 05 - Die alte Prophezeiung
durchzogen war. Obwohl er sicherlich schon älter war, wirkte er stolz und kräftig und war offenbar das Oberhaupt des Stammes.
„Wer seid ihr, Fremde?“, fragte er nach einer Weile. Seine Stimme war erstaunlich tief und fest.
Annit räusperte sich. „Ähm ... also ... ich bin Annit, und das ist mein Freund Mannito.“
Der Stammesfürst sog erneut an der Wasserpfeife. „Und welchem freudigen Anlass verdanken wir die hohe Ehre eures Besuches?“
Annit holte tief Luft. Dieser stolze, so ruhig wirkende Beduine machte sie auf unerklärliche Weise nervös. „Also ... ähm ... wir ... na ja ... wir haben von eurem berühmten Pferderennen gehört und wollten uns dafür anmelden. Mit unseren Pferden Ranja und Silberstern.“
Der Stammesfürst sah Annit einen Moment lang prüfend an. Dann schnalzte er mit den Fingern, und aus der hinteren Hälfte des Zeltes tauchte eine junge Frau auf. Sie trug ebenfalls ein langes weites, aber dunkles Gewand, und ein Tuch bedeckte ihren Kopf. Sie brachte eine riesige Schüssel, die üppig gefüllt mit Reis und Gemüse war, und stellte sie in die Mitte. Dann verbeugte sie sich kurz und verschwand wieder im hinteren Teil.
Der Stammesfürst nickte ihnen freundlich zu. „Esst!“
Etwas ratlos sah Annit Mannito an. Der zuckte nur die Schultern, beugte sich nach vome und nahm eine Handvoll Reis. Annit tat es ihm gleich. Was soll das jetzt heißen? Dürfen wir mitreiten? Dürfen wir bleiben? War der ganze weite Weg umsonst?, überlegte sie angespannt. Doch sie wagte es nicht, nachzufragen.
Nach dem Essen erschien das Mädchen wieder und deutete Annit an, mitzukommen. Annit zögerte kurz, doch dann schlüpfte sie hinter die Trennwand. Die zweite Hälfte des Zeltes war offensichtlich für die Kochgeräte und Vorräte bestimmt und ein Bereich diente als Lagerstätte. Das Mädchen zeigte auf eine Art Matratze. „Dort kannst du schlafen“, sagte sie.
„Wie heißt du?“, wollte Annit wissen.
Ein Lächeln huschte um die schönen Lippen der jungen Frau. „Alisha."
„Ich bin Annit.“ Sie war einen Moment unentschlossen. „Ich hole noch meinen Freund Mannito.“
Alisha hielt sie rasch am Arm zurück. „Nein, nein“, erklärte sie mit funkelnden Augen. „In diesen Bereich dürfen nur Frauen und Kinder, kein Zutritt für Männer.“
„Oh!“, hauchte Annit erstaunt. „Aber wo bleibt denn dann Mannito?“
„Er ist ein Mann und bleibt bei den Männern.“
Annit nickte ergeben. „Na gut. Aber ich wollte noch kurz mit eurem Oberhaupt sprechen ...“
„Nein!“, kam es erneut wie aus der Pistole geschossen von Alisha.
„Aber er hat doch noch gar nicht gesagt, ob wir bleiben dürfen und ob wir bei dem Pferderennen mitreiten dürfen“, protestierte Annit.
„Unser Stammesfürst wird es dich wissen lassen, wenn er es für richtig hält. Er wird zu dir kommen und alle deine Fragen beantworten.“ Damit ließ Alisha sie los, zog ihr dunkles Obergewand aus, legte sich auf die Matratze und winkte Annit zu sich. „Komm schlafen.“
Annit zögerte einen Moment. Sie fühlte sich staubig und schmutzig von der langen, beschwerlichen Reise. Ihre Haare waren verklebt, sogar zwischen ihren Zähnen knirschte der Wüstensand, und sie hätte viel für eine Dusche gegeben. Doch hier war nicht mal ein Waschbecken zu sehen. Es war spät, sie war müde und erschöpft und hatte keine Lust, weiter nachzufragen. Also gut. Morgen ist auch noch ein Tag, dachte Annit schließlich seufzend, legte sich neben Alisha und fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Der unheimliche Stammesfürst
Als Annit am nächsten Morgen die Augen aufschlug, lag nicht nur Alisha neben ihr, sondern noch eine weitere Frau und ein kleines Mädchen. Vorsichtig, um die anderen nicht zu wecken, stand Annit auf und schlich nach draußen. Es war noch früh am Morgen, und auch alle an deren im Dorf schienen noch zu schlafen. Über der Wüste ging gerade in herrlichen Rot- und Orangetönen die Sonne auf. Fasziniert verfolgte Annit das Naturschauspiel.
Etwas schuldbewusst eilte sie dann zu der Stelle, an der sie am Tag zuvor Silberstern angebunden hatte. Eigentlich hatte sie nach dem Essen noch nach ihm sehen wollen, aber dann hatte sie einfach die Müdigkeit übermannt. Doch offenbar hatte ihn und Ranja schon jemand mit Wasser und Futter versorgt und die beiden Pferde in einem Zelt untergebracht. Der pechschwarze Hengst wieherte ihr leise entgegen.
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