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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Dreizehn Kännchen Kaffee   wackelten auf dem Tablett hin und her, als Lotta ihren Wagen schob. Die Kännchen hatten keine Deckel und ihre Zuten waren angeschlagen. Aber der Kaffee duftete über den ganzen Flur von Zimmer zu Zimmer und über die Gänge von Station zu Station durch das ganze Haus.
    Sieben Schnabelbecher wackelten ebenso und jeder Schnabelbecher hatte einen anderen Deckel. Gelbe Becher hatten blaue Deckel, blaue Becher hatten grüne Deckel und die meisten Becher waren gelblich weiß und ihre Schnäbel leicht zerbissen. Lotta schob den Wagen und der Zettel in ihrer Kittelschürze war ganz verknittert, so oft hatte sie ihn schon gelesen:
    Meier mit Milch und Zucker Schlecker schwarz, Diabetikerkuchen Frau Norken: 1 Schnabelbecher mit Milchkaffee Kurtacker: Betreten verboten Was? Betreten verboten? Eben ging Lotta am Türschild von Herrn Kurtacker vorbei und blieb stehen. Starrte auf die Tür. Sie sollte diese Tür nicht öffnen? Oder sie sollte Kaffee und Kuchen an der Tür abstellen? Oder sollte Herr Kurtacker nichts bekommen? Hatte er eine Nahrungsmittelallergie? Lotta beugte sich vor und sah durchs Schlüsselloch: da saß ein Mann, seltsam zur Seite gebeugt, als wollte er etwas aufheben, ein schwarzer, ungekämmter Schopf fiel in sein Gesicht, der Oberkörper war nackt, Musik lief, AC/DC waren das wohl. Das reinste Rockkonzert. Lotta stutzte, der Mann war gar nicht alt. Vielleicht fünfzig. Jetzt kurvte er aus der Sicht und verschwand, der Bass vibrierte noch eine Weile durch das Schlüsselloch. Vielleicht mochte er keinen Kaffee, sondern lieber einen Whisky oder so.
    Lotta zögerte; keine Schwester weit und breit, kein Pfleger, nur sie und ihr kleines bisschen Mut, sie beschloss, eine Ausnahme zu machen von dieser Regel auf dem zerknitterten, karierten Papier, sie konnte sagen, sie hätte das überlesen. Einfach mal die Nase zur Tür hereinstecken, der Mensch war doch kein Tier, er konnte ihr doch nichts tun, vielleicht sagte sie einfach mal guten Tag. Sie griff nach der Türklinke. Aber was war das? Die Tür ging nicht auf, sie war zweifach, dreifach abgeschlossen, nichts zu machen. Die hatten ihn eingesperrt, ging das überhaupt, durfte das sein?
    Lotta wünschte sich, eine Schwester wäre dabei, hätte ihr alles gezeigt und erklärt und sie vorgestellt. Aber Schwester Rosalinde musste dringend Medikamente stellen, sagte sie, und sie sei froh, wenn sie sich nicht kümmern müsse. Und es stehe ja alles auf dem Papier. Also: Frau Schlecker schwarzen Kaffee und einen Kuchen. Lotta schaute noch mal auf das angeschlagene Kännchen ohne Deckel und den kleinen Kuchen. Das Haus müsse sparen, sagte Schwester Rosalinde. Eine Serviette hätte nicht geschadet. Ein Würfelchen Zucker. Ein Häubchen Sahne. Aber nichts da. Lotta seufzte und zuckte die Schultern.
    Na ja. Die Leute hier hatten alle den Krieg überlebt und sich jahrelang von Rüben und Brennnesseln ernährt. Sie würden auch das überstehen. Lotta legte das Stück Marmorkuchen auf den Teller und trug ihn hinein.
    Sehr tapfer, Frau Schlecker, sagte sie. Besser als Steckrüben und Beeren aus dem Wald.
    Was?, krähte Frau Schlecker aus dem Sessel.
    Kaffee trinken. Und Kuchen essen, sagte Lotta. – Ich kann Ihnen im Augenblick nicht helfen, denn ich muss weiter, ich blicke hier noch nicht so durch.
    Waas?, krähte Frau Schlecker.
    Lotta überlegte sich, sie müsste etwas netter sein. Das waren doch alte Leute. Da konnte man nicht so mit umgehen. Sie warf ihren braunen Zopf auf den Rücken und beugte sich zu Frau Schlecker herunter:
    Wie geht es Ihnen denn?
    Hm?
    Wie es Ihnen geht!
    Beschissen, krähte Frau Schlecker.
    So. Dann. Gut. Dann gehe ich jetzt mal wieder.
    Ick werde hier nich bleiben, sagte Frau Schlecker. – Ick jehe jetz nach Hause und denn werde ick euch alle anzeigen. Bei der Stadt, beim Oberbürgermeister. Jawoll.
    Ja, dann. Guten Appetit, sagte Lotta.
    Sie musste weiter. Den lieben langen Flur. Am Anfang des Flures war der Speisesaal, in der Mitte ein Aufenthaltsraum mit Fernseher, in den man durch eine Glaswand schauen konnte und in dem drei Leute vor sich hinkrümelten. Vor den Aufzügen befand sich das Schwesternzimmer und alle Räume für die Medikamente und die Wäsche. Lotta versuchte, sich alles zu merken.
    Und sie ging zu Norken und Meier und Sturm und Schiwrin. Und der eine konnte nichts mehr sehen und die andere konnte nichts mehr hören und die Dritte nicht mehr laufen und der Vierte nichts mehr denken und der Fünfte war

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