Silentium
erst nach und nach erinnert hat. Wie er einmal statt in die Sonntagsmesse ganz allein mit dem Spiritual in den Keller hinuntergegangen ist.
Der Brenner hat sich jetzt auf einen Schlag erinnert, daß der sich erst ein weiteres Jahr später daran erinnert hat, wie er sich als zehnjähriges Kind im Keller unten ausgezogen hat.
Und erst ein weiteres Jahr später ist ihm eingefallen, daß der Spiritual gesagt hat, er darf seine Unterhose ausnahmsweise im Umkleideraum ausziehen, obwohl sonst Unterhoseausziehen nur in der Duschkabine erlaubt.
Und ein Jahr später hat er sich erst erinnert, daß sich auch der Spiritual für den Hygieneunterricht ein bißchen ausgezogen hat.
Und erst vor zwei Monaten hat er sich an das Wort erinnert, das er zum Spiritual dann gesagt hat. Weil zuerst vollkommenes Silentium, wie der Spiritual seinen schwarzen Priesterpullover mit dem silbernen Ansteckkreuz ausgezogen hat. Und wie er sein weißes Priesterhemd aufgeknöpft hat, unter dem ganz viele schwarze Priesterbrusthaare zum Vorschein gekommen sind, immer noch vollkommenes Silentium. Und wie er sein weißes Priesterunterhemd und seine schwarzen Priesterschuhe und seine schwarze Priesterhose ausgezogen hat, ist er in Socken und Unterhose und vollkommenem Duschkeller-Silentium neben dem nackten Kind gestanden.
«Ahoi!» hat der zehnjährige Bub auf einmal aus voller Kehle gerufen wie in den Piratenfilmen im Fernsehen. Achtundzwanzig Jahre hat er gebraucht, um sich an dieses unschuldige Wort zu erinnern, das er so laut wie möglich in den Himmel aus Duschhähnen hinaufgeschmettert hat. «Ahoi!»
Weil sonst hat der Priester immer nur Brot in Fleisch und Wein in Blut verwandelt, aber jetzt hat sich die enge Priesterunterhose in ein Segelschiff verwandelt! In eine prächtige Millionärsyacht mit aufgeblähten Segeln, praktisch Atlantik-Überquerung.
Und der Spiritual hat das Wasser der vierzig Duschen aufgedreht, bis der Fliesenboden vollkommen überflutet war, und ist mit seinem prächtigen Unterhosenschiff durch die Gänge zwischen den vierzig Duschkabinen gesegelt, und das kleine Hygieneschweinchen auf seinem Schoß erster Matrose.
Du siehst schon, da ist die Erinnerung ein bißchen im Nebel verlorengegangen.
Darum hat der Regens gesagt, wir müssen rechtzeitig vor der Bischofsernennung klären, was da genau dahintersteckt. Und der Präfekt mit der Hasenscharte hat gesagt, wer weiß, an was alles der sich mit der Zeit noch erinnert. Und der Sportpräfekt hat gesagt, wenn man einmal anfängt, hört es meistens nie auf, der russische Hochspringer hat die Latte immer wieder um einen Zentimeter höher gelegt, der hat zig Millionen kassiert, aber gegen das Vermögen, das du einem Psychiater für ein paar Erinnerungen hinlegst, ist der Firma Adidas ihr Hochspringer noch billig gekommen.
Eine Dusche würde mir jedenfalls auch nichts schaden, hat der Brenner sich jetzt in seinem Hilfspräfektenzimmer gedacht. Und dann herrliche Entdeckung. Das Warmwasser war richtig kochend heiß und unendlich. Jetzt hat er so lange geduscht, daß ich sagen muß, wahrscheinlich auch ein kleiner Weltrekord. Weil langes Duschen für den Brenner oft Lösung vieler Probleme. Aber im Fall vom Bischofskandidaten Monsignore Schorn Duschen natürlich Anfang aller Probleme.
2
Jetzt alter Spruch, was man nicht im Kopf hat, muß man in den Beinen haben. Und ob du es glaubst oder nicht, der Brenner ist wirklich in den nächsten Tagen im Kreis gegangen, mit den Beinen, nicht mit den Gedanken.
Weil im Marianumspark haben sie eine wunderbare Runde für den Geländelauf gehabt, und da haben die Präfekten nach dem Essen immer ihren Verdauungsspaziergang gemacht, quasi Ritual. Viel hat der Brenner dabei nicht herausgefunden, weil nach dem Essen Mensch immer träge. Aber immerhin hat er jetzt schon gewußt, daß der Exzögling, der mit den Gerüchten dahergekommen ist, Restaurator im erzbischöflichen Archiv war.
Mit dem Namen haben sie zuerst nicht und nicht herausrücken wollen. Ist natürlich vollkommen richtig, daß man so etwas diskret behandeln muß, aber andererseits: Wie haben sich das die geistlichen Herren vorgestellt, man kann doch nicht einen Detektiv anstellen und ihm dann den Namen nicht verraten.
Der Sportpräfekt hat dann endlich eine Andeutung gemacht: «Mit Vornamen heißt er wie der berühmteste Sohn unserer Stadt.» Eigentlich war das schon mehr als eine Andeutung. Weil da haben sie einmal ein berühmtes Wunderkind gehabt in Salzburg, das hat sehr
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