Sind wir bald da
aufgeregt wegen dem Konzert am Abend. Gut, was macht man also mit einem angebrochenen Sonntagmorgen, wenn man nicht mehr schlafen kann? Ich für meinen Teil habe den Pyjama angelassen — ich glaube, ich habe noch nicht einmal Zähne geputzt — , und schon habe ich den Akkuschrauber in der Hand gehabt. Dazu ein paar Schrauben und eine verspiegelte Kastentür unterm Arm. Hat vermutlich eher seltsam ausgesehen. Wirklich leise ist so eine Schraubmaschine ja nicht. Aber die Frau hat einen gesegneten Schlaf. Außerdem kann sie aufwachen und wieder einschlafen. Zwei Eigenschaften, um die ich sie sehr beneide.
Im Grunde bin ich fast immer froh, nicht Thema einer Reality Soap zu sein. Gene Simmons, Ozzy Osbourne , Richard Lugner ... nein, da würde ich nicht mitmachen wollen. In diesem speziellen Moment war ich aber besonders froh, nicht Thema einer Reality Soap zu sein: Mann um die vierzig in Pyjama mit zerzaustem Haar steht in der Badewanne, Schrauben im Mund, Schraubmaschine in der Hand, Kastentür geschultert, und versucht, den ganzen Zinnober lautlos zu montieren, um die Frau nicht aufzuwecken. Dummerweise steht in der Badewanne ein wenig Wasser. Der Mann hat Socken an, weil er sich nächtens leicht verkühlt. Die Socken werden nass, er rutscht aus, flucht, die Maschine jault auf, eine Schraube verliert sich in den unendlichen Weiten des Badezimmers, die andere verschluckt er beinahe... es ist kein würdevolles Bild, das ich abgebe. Wenn es irgendwie geht, würde ich lieber als sehr cooler Allroundkünstler in Erinnerung bleiben. Na ja, auch egal. Die Tür hängt — etwas schief, aber das macht ja auch den Charme von Selbstgemachtem aus, nicht wahr? — und basta.
Irgendwann habe ich mich tatsächlich geduscht und angezogen, bevor ich versucht habe, dem Tag etwas Sinnvolles zu entlocken. Geworden ist daraus wieder ein ausgiebiges Internet-Surfen und E-Mail-Checken. (Gott sei Dank habe ich zwei Computer und ein iPhone . Ich weiß zwar, dass auf allen dreien das gleiche Internet läuft, aber wirklich glauben tue ich es nicht. Deshalb laufe ich getrieben zwischen den Geräten hin und her, um zu überprüfen, ob nicht doch auf dem Laptop etwas Interessanteres zu sehen ist als auf dem Desktop oder dem iPhone .) Außerdem habe ich am Musikprogramm nervös herumgeschraubt, versteht sich von selbst. Heute Abend werden wir rocken wie Sau, und ich bin der Messias des Electrocyberrock . (Auch liegt ein Verweis auf den hl. Jakob nahe. Immerhin ist der große Komponist Puccini nach ihm benannt. Giacomo Puccini. Und Giacomo ist nun einmal die italienische Version von Jakob. Also, passt!)
Am Nachmittag verspüre ich große Lust, das durchaus schöne Wetter zu genießen. Ich schnappe mir meinen Laptop und marschiere zu dem Lokal, wo ich schon vor ein paar Tagen war, mit der Wetterdame und ihren TV-Redakteuren. Nicht ganz ums Eck, aber fast. Umso enttäuschender, dass das Lokal geschlossen hat. Strahlender Sonnenschein im Gastgarten, aber geschlossen. Ein Skandal. Gut, setze ich mich eben in den Garten der Pizzeria gegenüber. Die werden sich schon freuen, mich zu sehen. Tun sie auch, und zwar so sehr, dass sie einen Stromausfall haben und im Wesentlichen nichts kredenzen können außer Salat und Cola. Ich entscheide mich für Letzteres, weil Salat als Getränk einfach noch nicht ausgereift ist. Ich setze mich mit einem (oder einer?) Cola an einen Tisch an der Sonne und packe meinen Laptop aus, auf dem ich im Sonnenlicht ohnehin praktisch nichts lesen kann. Aber es ist trotzdem der gelebte Feuchttraum eines jeden Großstadtbobos : zweiter Bezirk, In-Pizzeria, Freiberufler mit Apple-Laptop beim Kreativ-Arbeiten. Wahnsinn! Ach ja, das iPhone habe ich natürlich auch dazugelegt. Wie idyllisch. Jetzt brauche ich nur noch ein paar Ideen aus dem Hut zaubern, Konzepte formulieren, ab mit dem Mail, und unermesslicher Reichtum ist mir sicher. So ähnlich funktioniert das doch in Büchern und Filmen, in denen es um die Kreativbranche geht.
Die Kellnerin kommt vorbei und teilt mir mit, dass der Strom wieder funktioniert. Wenn ich also zu meinem Cola vielleicht noch etwas essen will... oder ein warmes Cola, dann könnte man das jetzt rein technisch tadellos hinbekommen. Ich bedanke mich artig und versuche weiter, im Sonnenlicht irgendetwas Brauchbares auf dem vermaledeiten Hochglanzdisplay zu erkennen, da sehe ich am Nebentisch — Xaver. Wie ein zerknautschter Schutzengel, der mich immer begleitet, sitzt er da und passt auf, dass niemand
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