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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Essen kaufen konnte, um ihr Kind zu stillen. Alsdann verband ich einen Sklaven, der sich in der Getreidemühle einige Finger zerquetscht hatte, renkte ihm die Glieder der beschädigten Finger wieder ein und verabreichte ihm ein schmerzstillendes Mittel in Wein, damit er seine Qualen vergesse. Weiter half ich einem alten Schreiber, der ein Geschwür, so groß wie der Kopf eines Kindes, am Hals hatte, weshalb er das Haupt mit den herausstehenden Augen schief halten und schwer atmen mußte. Ich gab ihm ein aus Seegras gewonnenes Mittel das ich in Simyra kennengelernt hatte, obwohl ich bezweifelte, daß es ihm noch viel helfen werde. Er holte aus einem sauberen Tuch ein paar Kupferstücke hervor und bot sie mir zögernd und über seine Armut beschämt an; aber ich wies sie zurück und erklärte, ich würde ihn rufen lassen, sobald ich einen Schreiber benötigte, worauf er sich höchlich erfreut, sein Kupfer gespart zu haben, entfernte.
    Eine Schöne aus einem in der Nähe gelegenen Freudenhaus bat mich ebenfalls um Hilfe; denn ihre Augen waren so vereitert, daß es ihrem Beruf schadete. Ich reinigte sie ihr und mischte eine Medizin, mit der sie die Augen waschen sollte, um sie zu heilen. Da entblößte sie sich scheu, um mir das einzige, was sie zu schenken imstande war, zum Lohn für meine ärztliche Hilfe anzubieten. Um sie nicht zu kränken, erklärte ich ihr, ich müsse mich wegen einer wichtigen Behandlung der Frauen enthalten, und da sie vom Arztberuf nichts verstand, glaubte sie mir und bewunderte meine Selbstbeherrschung. Um sie für ihre Bereitwilligkeit einigermaßen zu entschädigen, schnitt ich ihr noch mit dem Messer ein paar entstellende Warzen von Bauch und Hüfte, nachdem ich sie zuerst mit einer schmerzlindernden Salbe eingerieben hatte, so daß die Operation fast schmerzlos verlief.
    An meinem ersten Tag als Armenarzt verdiente ich somit nicht einmal das Salz zu meinem Brot. Deswegen verspottete mich Kaptah, als er mir eine auf Thebener Art zubereitete fette Gans vorsetzte, ein Gericht, das nirgends in der Welt seinesgleichen besitzt. Er hatte sie aus einer vornehmen Weinstube der Innenstadt geholt und im Bratofen heißgehalten; dazu goß er den besten Wein von den Rebhügeln Ammons in einen bunten Glasbecher und verhöhnte mich ob meines Tagewerks. Mir aber war leicht ums Herz, und ich freute mich mehr über die vollbrachte Arbeit, als wenn ich einen reichen Kaufmann geheilt und eine goldene Kette dafür erhalten hätte. In diesem Zusammenhang muß ich noch hervorheben, daß sich der Sklave aus der Getreidemühle einige Tage später bei mir wieder einfand, um seine genesenden Finger zu zeigen und mir einen ganzen Krug in der Mühle gestohlener Graupen zum Geschenk brachte, so daß ich für die Arbeit des ersten Tages doch nicht ganz leer ausging.
    Kaptah aber sprach zu meinem Trost: »Ich bin sicher, daß sich dein Ruf nach diesem Tag im ganzen Stadtviertel verbreiten und dein Hof schon im ersten Morgengrauen von Patienten wimmeln wird! Ich höre bereits die armen Leute schwatzen: ›Geht rasch in das frühere Haus des Kupferschmieds an der Ecke der Hafengasse! Dort ist ein Arzt eingezogen, der kostenlos, schmerzfrei und sehr geschickt Kranke heilt, mageren Müttern Geld schenkt und Schönheitsoperationen an Freudenmädchen vornimmt. Beeilt euch; denn wer zuerst kommt, erhält am meisten! Der Arzt wird binnen kurzem so arm sein, daß er das Haus verkaufen und wegziehen muß, falls man ihn nicht vorher mit Blutegeln in den Kniekehlen in ein dunkles Zimmer sperrt.« Und er fügte hinzu: »In dieser Hinsicht irren sich die Dummköpfe zwar; denn zum Glück besitzest du Gold, das ich so geschickt anlegen werde, daß es für dich arbeitet und du nie Mangel zu leiden brauchst, sondern täglich Gänsebraten essen und den besten Wein trinken und trotzdem immer reicher werden kannst, sofern du dich mit diesem einfachen Haus begnügst. Aber du tust ja nie wie andere Menschen. Es sollte mich daher nicht wundern, wenn ich eines Morgens wieder mit Asche im Haar erwachte, weil du dein Gold in den Brunnen geschleudert und dein Haus wie auch mich deines unruhigen Herzens wegen verkauft hast. Nein, das würde mich gar nicht wundern! Deshalb, Herr, wäre es vielleicht besser, wenn du an das königliche Archiv einen Papyrus senden würdest, auf dem geschrieben steht, daß ich nach Belieben frei kommen und gehen kann. Das gesprochene Wort fällt leicht in Vergessenheit, während der Papyrus, wenn du ihn mit deinem Siegel

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