Sinuhe der Ägypter
gedenke es denn auch zu lagern und sorgfältig zu bewachen, weil mir mein Gefühl sagt, daß die Getreidepreise mit der Zeit steigen werden. Die Bodengeschäfte Ammons lassen es mich ahnen; wenn jeder Dummkopf plötzlich Landwirt wird, kann die Ernte nicht so reichlich wie früher ausfallen. Deshalb habe ich auch gutgemauerte, trockene Lagerschuppen für das Getreide gekauft, die wir später, wenn wir sie nicht mehr brauchen, an Getreidehändler vermieten, wodurch wir weiteren Nutzen aus ihnen ziehen können.«
Nach meiner Meinung machte sich Kaptah übertriebene Mühe und lud sich überflüssige Sorgen mit diesen Plänen auf. Aber sie schienen ihm Freude zu bereiten, und ich hatte nichts gegen seine Anlagen einzuwenden, wenn ich mich bloß nicht selbst mit der Geschäftsführung zu befassen brauchte. Das dachte ich und sagte es ihm auch, und er verbarg sorgfältig seine große Zufriedenheit und meinte mürrisch:
»Ich hätte noch einen äußerst vorteilhaften Plan auf deine Rechnung. Eines der größten Handelshäuser des Sklavenmarktes ist nämlich zu verkaufen. Ich glaube behaupten zu dürfen, daß ich alles Wissenswerte über Sklaven beherrsche, nachdem ich selbst mein Leben lang ein solcher gewesen, und daß ich dich durch Sklavenhandel zweifellos rasch zu einem reichen Mann machen könnte. Ich weiß, wie die Fehler und Mängel eines Sklaven zu verheimlichen sind, und ich kann einen Stock in der richtigen Art und Weise verwenden, was du, Herr – mit Verlaub gesagt, nachdem ich deinen Stock versteckt habe – keineswegs vermagst. Aber ich bin sehr betrübt, weil ich fürchte, daß uns diese vorteilhafte Gelegenheit entwischen wird, da du, Herr, nicht auf den Plan eingehen wirst. Oder doch?«
»Ganz recht, Kaptah«, sagte ich. »Mit Sklavenhandel werden wir uns nicht befassen, weil das ein schmutziges, verächtliches Geschäft ist, wenn ich auch nicht sagen kann warum, da ja doch jedermann einen Sklaven braucht, kauft und verwendet. So ist es gewesen und wird es bleiben. Aber etwas in mir lehnt sich dagegen auf, Sklavenhändler zu werden; und ich wünsche auch nicht, daß du mit Sklaven handelst.«
Kaptah seufzte erleichtert auf und sagte: »Ich habe also dein Herz richtig eingeschätzt, Herr! Wir sind dieser bösen Versuchung entgangen. Denn wenn ich genauer über die Sache nachdenke, muß ich zugeben, daß ich den Sklavinnen bei der Untersuchung ihrer Vorzüge vielleicht zuviel Aufmerksamkeit gewidmet und dabei meine Kräfte unnütz verbraucht hätte. Das kann ich mir nicht mehr leisten, da ich alt bin, meine Glieder steif zu werden beginnen und meine Hände bedenklich zittern, besonders morgens beim Erwachen, bevor ich den Arm nach dem Bierkrug ausgestreckt habe. Nachdem ich also dein Herz erforscht, beeile ich mich zu sagen, daß sämtliche Häuser, die ich für deine Rechnung gekauft, anständige Häuser von geringem, aber um so sichererem Erträgnis sind. Kein einziges Freudenhaus habe ich gekauft und auch keine Armengassen, deren Elendshütten einen größeren Gewinn abwerfen als die gutgebauten Wohnhäuser für Standespersonen. Allerdings habe ich dabei einen schweren Kampf mit mir selbst ausgefochten. Warum sollten wir schließlich nicht in derselben Weise wie alle anderen verdienen? Aber mein Herz sagt mir, daß du es nicht gutheißen würdest, Herr. Deshalb habe ich nach schwerer Selbstüberwindung auf die Verwirklichung dieser mir lieben Hoffnungen verzichtet. Hingegen habe ich noch eine Bitte an dich.«
Kaptah wurde plötzlich unsicher und betrachtete mich durchdringend mit seinem einen Auge, wie um meine Stimmung zu erforschen. Ich goß ihm Wein in den Becher und ermunterte ihn zum Reden. Schließlich sagte er:
»Meine Bitte ist frech und schamlos. Da ich jedoch dein Wort habe, daß ich frei bin, erdreiste ich mich, sie auszusprechen – in der Hoffnung, du werdest mir nicht zürnen. Ich möchte dich nämlich bitten, mich in jene Weinschenke im Hafen zu begleiten, von der ich dir oft erzählt habe und die ›Zum Krokodilschwanz‹ heißt, damit wir uns dort das Maß eines Schwanzes zu Gemüte führen und du den Platz siehst, von dem ich so oft mit wachen Augen geträumt, wenn ich in Syrien und Babylonien trübes Bier durch ein Rohr sog.«
Ich brach in Lachen aus und war keineswegs erzürnt; denn der Wein hatte mich in gute Laune versetzt. Der dämmernde Lenzabend war voll Wehmut, und ich fühlte mich sehr einsam. Wenn es auch etwas Unerhörtes und für meine Würde Unpassendes war, daß ich
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