Sinuhe der Ägypter
der Krieg und die Macht haben mich zu einem einsamen Mann gemacht: in Syrien besaß ich keinen einzigen Menschen, mit dem ich Freud und Leid hätte teilen können; immer mußte ich, wenn ich mit jemand sprach, meine Worte sorgfältig und je nach dem Zweck abwägen, den ich erreichen wollte. Bei dir, Sinuhe, aber will ich nichts erreichen, und ich bitte dich nur um deine Freundschaft. Denn es hat den Anschein, als sei deine Zuneigung zu mir erloschen und es bereite dir das Wiedersehen mit mir keine Freude.«
Meine einsame Seele rief nach ihm, ich verneigte mich tief und sprach: »Haremhab, von meinen Freunden aus unserer Jugendzeit bist du der einzige, der nach all den Geschehnissen noch am Leben ist. Deshalb werde ich dich immer lieben. Jetzt ist die Macht dein, niemand kann deine Gewalt hindern, und bald wirst du dir die Kronen der beiden Reiche aufs Haupt setzen. Deshalb, Haremhab, flehe ich dich an: laß Aton wieder auferstehen! Um Echnatons, unseres Freundes willen, bring Aton wieder zu Ehren! Unserer furchtbaren Verbrechen wegen sollst du Aton wieder erheben, damit alle Völker Brüder seien, kein Unterschied zwischen Mensch und Mensch bestehe und es nie wieder Krieg gebe!«
Als Haremhab dies vernahm, schüttelte er mitleidig das Haupt und sagte: »Du bist noch ebenso verrückt wie früher, Sinuhe. Verstehst du denn nicht, daß Echnaton einen Stein in die Fluten warf, der ein großes Geplätscher verursachte, wogegen ich dafür sorgen werde, daß die Wasserfläche sich wieder glättet, als wäre nie etwas hineingefallen? Begreifst du nicht, daß mich mein Falke in der Todesnacht des großen Pharao in das goldene Haus leitete, damit Ägypten nicht untergehe, sondern auch nach ihm lebe, weil die Götter seinen Untergang nicht wünschen? Deshalb werde ich alles wieder zum Alten zurückführen. Mit der Gegenwart ist der Mensch nie zufrieden, in seinen Augen sind nur die Vergangenheit und die Zukunft gut; daher werde ich Vergangenheit und Zukunft vereinen. Ich werde die von ihren Schätzen allzu aufgeblähten Reichen ausquetschen und gleich ihnen die allzu fettleibigen Götter, damit in meinem Lande die Reichen nicht zu reich und die Armen nicht zu arm seien und weder Götter noch Menschen danach trachten, mir die Macht streitig zu machen. Aber ich sehe, daß ich umsonst zu dir spreche und daß du meine Gedanken nicht erfassen kannst, weil deine eigenen Gedanken diejenigen eines schwachen und kraftlosen Mannes sind. Die Schwächlinge und Memmen aber besitzen kein Lebensrecht auf Erden, sondern sind dazu geschaffen, von den Starken zertreten zu werden. Sie verdienen auch kein besseres Los. Nicht anders werden auch die schwachen Völker unter den Fersen der starken zermalmt und nehmen die Großen den Kleinen das Futter vom Mund weg. So ist es stets gewesen und wird es immer bleiben.«
So schieden Haremhab und ich voneinander, und unsere einstige Freundschaft bestand nicht mehr. Als ich gegangen war, begab er sich zu seinen Söhnen, hob sie auf sein starkes Knie und warf sie in seiner Freude hoch in die Luft; und von ihnen begab er sich in die Gemächer der Prinzessin Baketamon und sprach zu ihr: »Meine königliche Gemahlin! Wie der Mond hast du in all den vergangenen Jahren in meiner Erinnerung geleuchtet, und groß ist meine Sehnsucht nach dir gewesen. Aber jetzt ist mein Werk vollbracht, und in Bälde wirst du als große königliche Gemahlin an meiner Seite leben, wozu dein heiliges Geblüt dich berechtigt. Deinetwegen, Baketamon, ist viel Blut geflossen, Städte sind zu Asche geworden, und das Wehklagen der Menschen auf den Spuren meiner Heeresmacht ist bis zum Himmel gestiegen. Habe ich meinen Lohn nicht verdient?«
Baketamon lächelte ihn liebenswürdig an, berührte seine Schulter schüchtern mit der Hand und sagte: »Wahrlich, mein Gemahl Haremhab, du großer Feldherr Ägyptens, du hast deinen Lohn verdient! Deshalb habe ich in meinem Garten ein Lusthaus ohnegleichen aufführen lassen, um dich nach Verdienst empfangen zu können, und in meiner Sehnsucht nach dir habe ich jeden Stein für seine Wände selber gesammelt. Laß uns also in dieses Lusthaus gehen, damit du deinen Lohn in meinem Schoß empfangest und ich dir Freude bereite!«
Ihre Worte entzückten Haremhab. Sie griff behutsam nach seiner Hand und führte ihn in den Garten. Die Hofleute aber flohen und versteckten sich und hielten beim Gedanken an das Bevorstehende vor Schreck den Atem an, und sogar die Sklaven und die Stallknechte entwichen, so
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