Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe
dachten, wussten die weißen Männer nicht. Man hatte gesehen, dass diese Indianer ihre Verstorbenen ebenfalls in der Erde bestatteten, nicht wie andernorts dem Fluss übergaben. Und das, obwohl ihr Dorf unmittelbar an einem Seitenarm des oberen Feather River lag, dort wo das Becken in Bergland überging.
Der Mann im Sarg war einer Krankheit erlegen, das sah man. Gesicht und Hände waren mit dicken schwarzen Pusteln übersät, die Züge kaum mehr zu erkennen. Nur die schmale Schädelform, die kleinen Augen und die große Nase deuteten darauf hin, dass es sich um die Person handelte, die der Medizinmann in den letzten Wochen ein oder zwei Mal gesehen hatte. Um den Mann, den die Weißen Darren Edgar nannten.
Der Medizinmann beugte sich über den Eingesargten und verharrte lange. Beobachtete.
Die vier Weißen traten unruhig von einem Bein aufs andere, und einer wischte sich den Schweiß ab.
Nach einer endlos erscheinenden Zeitspanne richtete sich der Medizinmann auf und hob die Hand, was wohl Zustimmung ausdrückte. Er sagte einen kurzen Satz in seiner Sprache und ging gemessenen Schritts davon. Seine beiden Begleiter folgten ihm. In einer Entfernung von fünfzig Metern blieben sie stehen, wandten sich um und blickten wieder herauf.
„Der Köder ist gefressen“, konstatierte der älteste Weiße. „Aber die rotgesichtigen Koyoten werden uns trotzdem nicht aus ihren verdammten Augen lassen.“
„Dann bringen wir’s rum.“
„Yeah, Rum ist immer gut.“
Der Alte beugte sich über den Sarg, blinzelte dem Verstorbenen zu und grinste. Dann warf er den Deckel auf die Kiste und nagelte ihn mit ein paar rostigen Nägeln fest. Die Träger hoben sich die Kiste auf die Schultern, und sie kam ihnen schon viel leichter vor. Bis zum Grab war es nicht mehr weit. Sie hatten am Nachmittag schon eine Grube ausgehoben, nur ein paar Schritte hügelabwärts von hier. Lautstark hatten sie es getan, damit die Indianer darauf aufmerksam wurden und neugierig hier auf den Toten warten würden.
Mit zwei dicken Tauen ließen sie den Sarg hinunter. Sie machten sich nicht einmal die Mühe, die Hüte abzunehmen. Zwei Schaufeln lagen bereit. Eilig und ohne Gebet oder Grabrede warfen sie die aufgeschüttete Erde zurück in das Loch, aus dem sie kam. Einer von ihnen, der dickste, hielt sich bei der Arbeit zurück. Er trug einen Verband um die Schulter. Als die ersten Schaufelfüllungen auf den Sargdeckel klatschen, blieb es im Inneren der Totenkiste noch ruhig. Als es dann mehr und mehr wurden und die alten Bretter fast völlig verschwunden waren, klangen klopfende Geräusche aus der Kiste. Der Tote rief etwas, dumpf und weit entfernt, als melde er sich schon aus der anderen Welt. Es knarrte. Offenbar stemmte er sich von innen gegen den Deckel.
Jetzt hieß es, schnell zu sein. Die Erde flog nur so auf den Sarg, und als das Loch aufgefüllt war, bemühten sich alle, den Boden festzustampfen. Es war wie ein merkwürdiger Indianertanz, aber ohne Gesang.
Darren Edgar war nicht tot gewesen, als man ihn beerdigte, aber er würde es bald sein.
Zufrieden klopfte man sich den Schmutz von den Hosen, schulterte die Schaufeln und machte sich auf den Weg zu den zwei Hütten von Rich Stone Valley. Auf dem Weg winkte man den Indianern übermütig zu, die sich daraufhin auch in Bewegung setzen und in Richtung ihres Dorfes davongingen.
Das Missverständnis, das es gegeben hatte, war aus der Welt geschafft.
Dank Darren Edgar, der sich geopfert hatte. Wenn er es auch nicht ganz freiwillig getan hatte, so war es doch eine lobenswerte Geste von ihm gewesen, und man würde ihn in guter Erinnerung behalten.
3
Was Sir Darren dazu bewogen hatte, sich in einen Sarg zu legen und lebendig begraben zu lassen, war die Hoffnung. Die Hoffnung, Cassel würde trotz allem sein Wort halten und ihn nach einer halben Stunde wieder ausbuddeln, oder Cassel würde zwar sein Wort brechen, aber Darren würde aus eigener Kraft einen Weg aus dem kalten Grab finden. Die erste Hoffnung war wie ein Wölkchen über der Steppe, die zweite wie eine flackernde Kerzenflamme in der Finsternis. Ohne das Wölkchen und die Kerzenflamme hätte er es vorgezogen, Cassel seinen Kopf hinzuhalten, damit dieser mit seinem Projektil einen Belüftungstunnel quer hindurch treiben konnte. Besser der schnelle Tod durch metallischen Durchgangsverkehr im Schädel als der langsame durch Atemübungen ohne Luft.
Aber Hoffnung war eine zähe Pflanze. Sie mochte vertrocknen und verfaulen, doch irgendwann
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