Skandal im Ballsaal
sein. „Bitte, bitte, Madam, gehen wir doch nicht meinetwegen nach Paris!", hatte sie flehend gebeten. „Ich sagte nur, ich wolle gehen, weil ich dachte, Sie wünschten es! Und ich glaube nicht, dass Tom sich im Herzen etwas daraus macht. Erlauben Sie ihm doch, dass er mich nach Austerby bringt!"
Aber Lady Ingham war durch diese Rede kurzfristig besänftigt worden. Sie schenkte keinem außer sich selbst viel Beachtung, aber sie hatte Phoebe gern. Ihr Gewissen versetzte ihr einen Stich, und sie sagte lebhaft; „Dummes Zeug, meine Liebe! Natürlich will ich fahren, und ich werde es, sobald das Wetter sich bessert!"
Am fünften Tage schien es, als wären sie verurteilt, un-begrenzt in Dover zu bleiben, denn der Wind war stärker geworden, statt abzunehmen, und blies stark von der Küste weg. Toms Kenntnis vom Aussehen des Wassers überzeugte ihn, man könne nichts Besseres erhoffen, um rasch über den Kanal zu kommen, aber er wusste, es sei nutzlos, das Mylady gegenüber zu wiederholen, selbst wenn sie an diesem Tage nicht im Bett geblieben wäre. Sie hatte Gallenbeschwerden.
Seeluft, sagte Muker, verursache ihrer Herrin immer Gallenbeschwerden.
So versuchte Phoebe, die das Wohnzimmer für sich hatte, zum vierten Mal einen Brief an Sylvester zu verfassen, der Reue mit Würde verbinden und ihren Dank für frühere Wohltaten ausdrücken sollte, ohne den geringsten Hinweis zu geben, dass sie ihn je wiedersehen wolle. Dieser vierte Versuch ging den Weg seiner Vorgänger, und als sie zusah, wie die beschriebenen Blätter schwarz wurden und in Flammen aufgingen, versank sie in Niedergeschlagenheit. Es war närrisch, in Erinnerung zu verfallen, wenn jede Erinnerung, die sich aufdrängte (und vor allem die glücklichen) schmerzlich war, aber so sehr sie auch versuchte, sich zu freuen, kaum war sie müßig, kehrten ihre Gedanken zurück, und die fröh-lichste Aussicht auf die Zukunft, die sich ihr bot, war es, tot zu sein. Und der Urheber ihres ganzen Unglückes, dessen marmornes Herz und dessen böses Naturell sie von Anfang an entlarvt hatte, würde nicht mehr als seine unheilvollen Augenbrauen heben und mit seinen Schultern das leichte, charakteristische Zucken vollführen, das sie so gut kannte, weder erfreut noch traurig, sondern bloß gleichgültig.
Sie wurde aus der Betrachtung dieses düsteren Bildes durch Toms Stimme gerissen, der sie von der Straße aus rief.
Sie schnauzte sich hastig und ging zum Fenster, stieß es auf und blickte zu Tom hinunter, der unten stand und zu ihr hin-aufschrie.
„Oh, da bist du!", bemerkte er. „Beeile dich und komm heraus, Phoebe! Welch ein Treiben im Hafen! Nicht um hundert Pfund solltest du es versäumen!"
„Was denn?"
„Es tut nichts zur Sache, was es ist! Beeile dich und komm herunter! Ich verspreche dir, es ist komischer als jede Posse!"
„Nun, ich muss meinen Hut aufsetzen und meinen Mantel umhängen", sagte sie zögerlich.
„Gott, du wirst bei diesem Wind nie einen Hut aufbehalten! Binde dir einen Schal um den Kopf!", sagte er. „Und trödle nicht, oder es ist alles vorbei, bevor wir hinkommen!"
Sie überlegte, dass selbst der eisige Wind weiteren Grübeleien vorzuziehen wäre, daher sagte sie, sie würde im Nu unten sein, schloss das Fenster wieder und lief in ihre Schlafkammer. Die Idee, einen Schal um den Kopf zu binden, hielt sie nicht für empfehlenswert, aber Witwe Ingham hatte für die Überfahrt einen dicken Reisemantel mit einer daran befestigten Kapuze für sie gekauft; sie legte ihn sich um und wühlte auf der Suche nach Handschuhen hastig in einer Schublade. Sie zuckte zusammen, als sie sich unerwartet angerufen hörte.
„Darf ich so kühn sein und fragen, Miss, ob Sie beabsichtigen, auszugehen?"
Phoebe blickte sich rasch um und rief: „Ach du meine Güte, was für einen Schrecken Sie mir eingejagt haben, Muker! Ich hörte Sie nicht hereinkommen!"
„Nein, Miss?", sagte Muker, die mit affektiert verschränkten Armen auf der Türschwelle stand. „Und haben Sie beabsichtigt, auszugehen, Miss?"
Ihr Ton glich sehr dem eines Kerkermeisters. Er erbitterte Phoebe, aber obwohl sie ein wenig errötete, sagte sie nur:
„Ja, ich gehe spazieren", da sie wusste, dass Mukers Abneigung gegen sie einer Eifersucht entsprang, wofür man sie mehr bemitleiden als tadeln musste.
„Darf ich fragen, Miss, ob Mylady von Ihrer Absicht weiß?"
„Sie dürfen fragen, aber ich weiß nicht, warum Sie es tun sollten, oder warum ich Ihnen antworten sollte", erwiderte
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