Skandal im Ballsaal
geschieht mit dem Jungen?"
„Er wird natürlich in Chance bleiben."
Sie starrte ihn an. „Was, soll deine arme Mutter mit der Sorge für ihn belastet werden?"
„Nein, natürlich nicht." Er hielt sein Monokel in die Höhe, drehte es zwischen Zeigefinger und Daumen und beobachtete das Aufblitzen des Feuerscheins in der Vergrößerungslinse. „Ich gedenke selbst zu heiraten, Ma'am."
„Nun, es ist höchste Zeit", gab sie bissig zurück. „Das Torrington-Mädchen, vermutlich?"
„Ich nehme an, sie dürfte durchaus für mich passen - wenn ich sicher wäre, sie würde auf Chance nicht melancholisch werden. Sie wissen, Ma'am, es ist mein Ziel, eine Frau zu wählen, die meiner Mutter willkommen ist."
Wenn sie das auch für einen seltsamen Heiratsgrund hielt, sagte sie es doch nicht. „Ist dein Herz vergeben?", fragte sie.
„Nicht im Geringsten", erwiderte er. „Sie sehen, in welcher Verlegenheit ich bin! Beraten Sie mich!"
Sie schwieg, aber er wusste, dass sie auf der Hut war, und begnügte sich damit, sein Monokel müßig baumeln zu lassen.
„Du kannst dir ein Glas Wein einschenken!", sagte sie plötzlich. „Ich werde auch eines nehmen - obwohl ich nicht bezweifle, dass ich dafür büßen werde."
Er erhob sich und ging durch das Zimmer, bis zu einem Seitentisch, auf dem Horwich einen silbernen Präsentiertel-ler abgestellt hatte. Als er zum Kamin zurückkam und Witwe Ingham ein Glas Sherry reichte, sagte er leichthin: „Nun, wenn Sie eine Feen-Patin wären, Ma'am, würden Sie mit ihrem Zauberstab winken und damit gerade die Braut, die ich mir vorstelle, herbeibeschwören!"
Er nahm, als er dies sprach, wieder seinen Platz ein und wollte gerade das Thema wechseln, als sie ihn unterbrach und sagte: „Ich kann keinen Zauberstab schwingen, aber ich könnte allerdings eine passende Braut für dich herbeischaffen." Sie stellte ihr Glas nieder. „Was du brauchst, Sylvester, ist ein wohlerzogenes Mädchen aus passender Familie, mit guter Erziehung und liebenswürdigen Anlagen. Wäre dein Onkel William kein Possenreißer, er hätte vor Jahren gerade so eine Heirat für dich zustande gebracht, und du kannst dich darauf verlassen, du hättest dich sehr wohl dabei befunden. Nun, ich habe mich nicht eingemischt, obwohl ich zugebe, ich war in Versuchung, als ich hörte, wie du zuerst dieser Frau und dann jener den Hof machtest. Doch nun hast du dich an mich gewandt, und meine Überzeugung ist, wenn du eine Frau wünschst, die ihre Pflicht kennt und deiner Mutter willkommener ist als jede andere, kannst du nichts Besseres tun, als meiner Enkelin einen Antrag zu machen.
Nicht einem der Ingham-Mädchen, sondern Phoebe: dem Kind meiner Verena."
Er war außerordentlich verdrossen. Seine Patin spielte bei dem Spiel nicht mit, das er geplant hatte. Diese seine vorsichtigen, unbestimmten Worte sollten sie veranlassen, ihn nicht von sich zu weisen, sondern ihn sofort (vielleicht zu Beginn der Season) mit ihrer Enkelin bekannt zu machen.
Da war ein Mangel an Schlauheit bei ihrem Vorgehen in dieser Angelegenheit, der ihn erregte und beunruhigte. Eine Zeit lang hatte ihn der Gedanke einer Heirat mit der Tochter der liebsten Freundin seiner Mutter beschäftigt; aber er war nicht so überzeugend, dass er nicht sofort durch die Entdeckung zunichte gemacht werden konnte, Miss Marlow fehlten die Eigenschaften, die er als unerlässlich für seine Frau hielt. In Lady Inghams Unklugheit erblickte er einen Versuch, seine Hand zu erzwingen, und nichts konnte den Unmut eines jungen Mannes mehr erregen, der seit seinem neunzehnten Lebensjahr sein eigener Herr wie der sehr vieler anderer Leute gewesen war. Er sagte in kühlem Tone:
„Tatsächlich? Habe ich Ihre Enkelin schön kennengelernt, Ma'am? Ich glaube nicht."
„Ich weiß es nicht. Sie wurde in der letzten Season in die Gesellschaft eingeführt - es hätte schon früher geschehen sollen, aber sie bekam Scharlach, daher wurde es um ein Jahr verschoben. Sie wird im Oktober zwanzig: ich biete dir kein Schulmädchen an. Übrigens - ich glaube, du warst mit ihr öfters in Gesellschaft, denn sie wurde auf alle vornehmen Einladungen geführt. Ich habe darauf geachtet! Hätte ich es Marlows zweiter Frau überlassen, so hätte das arme Kind seine Zeit in Museen und in Konzerten mit alter Musik verbracht, denn Constance Marlow glaubt, man müsse sich in der Stadt die Zeit auf diese Art vertreiben! Marlow heiratete sie, bevor Phoebe den Kinderschuhen entwachsen war, dieser Narr! Nicht,
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