Skandal im Ballsaal
wohl passen mochte, und er hielt sie für unausstehlich. Zwar waren wenige Männer verhätschelter und umschmeichelter als er; auch gab es nur wenige Gastgeberinnen, die ihm solche Geringschätzung nicht vergeben hätten, die ihnen nicht selten von verwöhnten Männern von Rang und Namen zugefügt wurde.
Aber keine Gastgeberin hatte jemals Grund gehabt, sich über einen Mangel an Sylvesters Höflichkeit zu beklagen; und keine noch so unbedeutende Person, die ihm auch nur den geringfügigsten Dienst leistete, hatte Grund, ihn für verachtenswert zu halten. Seine Höflichkeit für Leute von Bedeutung aufzusparen, war ein Zeichen schlechter Erziehung, schimpflich für einen selbst, ebenso widerlich, wie mit seiner Wichtigkeit zu prunken oder einen Diener wegen einer Ungeschicklichkeit zu tadeln. Sylvester erschien nicht allzu spät auf Gesellschaften, weigerte sich nie, an einem Kontertanz teilzunehmen, verabschiedete sich nicht schon gelangweilt nach nur einer halben Stunde, ließ Einladungen nie unbeantwortet, starrte keinen seiner Pächter grußlos an oder versäumte es etwa, an Gesellschaftstagen auf Chance mit jedem seiner Gäste ein Wort zu wechseln.
Er war daher durchaus nicht geneigt, zu glauben, der Vorwurf der Arroganz, der gegen ihn erhoben wurde, sei etwas anderes als bloße Verleumdung, wahrscheinlich von einem Speichellecker in Umlauf gesetzt, den er abgewiesen hatte, oder von irgendeinem unverschämten Emporkömmling, dessen Anmaßung in Schranken zu weisen er sich verpflichtet gefühlt hatte.
Die Herzogin wusste das und war daher verlegen. Sie hätte gern jemand um Rat gefragt, der sich diese Angelegenheiten so sehr zu Herzen nahm wie sie selbst und besser wissen musste als sie (die Sylvester nur in ihren eigenen Räumen sah), wie er sich in Gesellschaft benahm. Es gab nur einen solchen Menschen; aber obwohl sie Hochachtung wie auch Zuneigung für Lord William Rayne, Sylvesters Onkel, empfand, der zwei Jahre lang sein Vormund gewesen war, be-durfte es kaum einer Überlegung, sie zu überzeugen, dass jeder Versuch, ihn an ihren unklaren Befürchtungen teilhaben zu lassen, sie nur als das Opfer von Grillen erscheinen ließ, wie sie wohl einen Kranken befallen konnten. Lord William war altmodisch, sehr gutmütig und freundlich, aber auch sehr förmlich. Er hatte einigen Einfluss auf Sylvester, den er ebenso gern hatte wie er auf ihn stolz war: ein Wort von ihm würde schwer wiegen, aber unglücklicherweise konnte ein Vergehen seines Neffen gegen seine Stellung in der Gesellschaft eher Lord Williams Vorwürfe hervorrufen als Sylvesters übertriebene Selbsteinschätzung.
Er weilte zu Weihnachten auf Chance. Weit davon entfernt, die Herzogin zu beruhigen, machte er sie noch niedergeschlagener, obwohl das nicht in seiner Absicht lag. Er fand für Sylvester nichts als uneingeschränktes Lob. Er sagte der Herzogin, der Junge handle gerade so, wie er sollte, und seine Manieren seien außerordentlich korrekt. „Sehr leutselig und höflich, aber er weiß auch den geziemenden Abstand zu wahren", sagte Lord William. „Du brauchst nicht zu fürchten, dass er vergessen wird, was er seiner Stellung schuldet, liebe Schwägerin! Er sagte mir, dass er daran denkt, sich zu vermählen. Sehr gut so. Höchste Zeit, dass er die Kinderschuhe abstreift! Er scheint in diesem Falle vorzugehen, wie es richtig ist, aber ich gab ihm einen Wink. Wohlgemerkt, ich glaube nicht, dass es nötig war, aber ich sähe es nicht gern, wenn er sich zum Narren machte, da ihm ein guter Rat fehlt. Aber er hat Gott sei Dank keine jämmerlichen romantischen Ideen!"
Es war unabänderliche Sitte des Hauses von Rayne, dass sich so viele Mitglieder wie möglich zu Weihnachten unter dem Dach des Hausherrn versammelten. Da die Familie riesengroß war und die meisten von denen, die auf Chance zusammenkamen, einen Monat blieben, hatte Sylvester wenig Muße und sah weniger von seiner Mutter, als ihm lieb war.
Er war ein ausgezeichneter Gastgeber und hatte eine vortreffliche Stütze in seiner Schwägerin, die neben ihrem Sinn für Unterhaltung mit großer Freude als Bevollmächtigte der Herzogin handelte. Ihre Freude wurde nur durch Sylvesters Weigerung, Sir Nugent Fotherby zu der Gesellschaft einzuladen, getrübt. Sie wendete ein, dass er, wenn er ihren Vater und ihre Mutter einladen konnte, mit gleichem Recht auch ihren Bräutigam einladen konnte; aber jede Absicht, die sie gehabt haben mochte, diese Klage vorzubringen, wurde durch das Eingreifen
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