Sklaven des Himmels
versteckt sich hinter dem Rock seiner Gefährtin. Ich werde ihn dort nicht suchen. Laßt uns in unsere Zelte zurückkehren und morgen weiter darüber nachdenken. In einem pflichte ich Berry allerdings bei. Es war ein schlimmer Tag.« Oris wollte aus dem Kreis treten.
»Bleib!« befahl Berry. »Oris, ich habe mich für Vrons Einmischung entschuldigt. Deine Worte sind hart. Bist du sicher, daß du nicht für ein Heben der Hände bist?«
»Ich habe meine Gedanken ausgesprochen. Das genügt.«
Berry seufzte. »Wir können die Dinge nicht dabei belassen. Deshalb muß ich das Heben der Hände verlangen.« Er wandte sich an den Kreis der Stammesbrüder. »Männer, gegen euren Häuptling wurden Anschuldigungen erhoben. Oris, der ein großer Jäger und Krieger ist, hat sie gemacht. Hebt jetzt eure Hände, wenn ihr mir zeigen wollt, daß meine Zeit vorbei ist und daß ich eure Messer spüren soll.«
Keine einzige Hand hob sich. Zwei machten Anstalten dazu, zogen sie jedoch schnell zurück, als keine Unterstützung kam.
Oris stand allein. Er hob die Rechte und rief: »Alle hier können bezeugen, daß ich das Heben der Hände nicht verlangte, daß ich nur meine Gedanken offen aussprach.«
Berry triumphierte nicht. »Oris, jeder weiß, daß du ein mutiger Mann bist. Nach der Sitte des Stammes ist dein Leben verwirkt – wie es meines gewesen wäre, hätte das Heben der Hände sich gegen mich gerichtet.«
»Ich weiß. Ich habe keine Angst. Ich werde im Himmel nicht lange auf dich warten müssen. Dort wollen wir weiter über die Sache reden. Im Himmel gibt es nur einen Häuptling, dem alle zu gehorchen haben.«
Ulbi erhob sich und trat neben Oris.
»Laßt uns nicht vom Himmel sprechen«, bat Berry. »Zu viele unserer Brüder sind heute dort hingeholt worden. Du bist ein großer Jäger und tapferer Krieger, Oris. Ich dürste nicht nach deinem Blut. Der Stamm braucht Männer wie dich. Und es steht in meiner Macht als Häuptling, dir das Leben zu schenken. Mehr noch, ich ernenne dich zum Befehlshaber für die Verteidigung des Stammes. In Zeiten von Kriegszügen und Überfällen würde auch ich mich deinem Befehl unterstellen. Genügt das?«
Zwei weitere Männer und dann noch ein vierter standen auf und stellten sich neben Oris.
Oris war völlig verblüfft über Berrys Worte. »Häuptling, das ist mehr als genug.«
Ich habe mich verrechnet, dachte Berry betrübt. Es war ein schlimmer Tag, und ich bin müde. Sie werden mein Angebot als Schwäche auslegen. Bald werden die Hände sich gegen mich erheben.
»Ich bin einverstanden ...« Mehr brachte Oris nicht heraus. Er schwankte und starrte ungläubig auf den Dolch, den Ulbi ihm in den Bauch gestoßen hatte. Ein weiteres Messer traf ihn, und dann noch zwei. Oris sank tot zu Boden.
»Vergib uns, Häuptling«, bat Ulbi sanft. »Wäre Oris am Leben geblieben, hätte es den Stamm gespalten. Darin liegt große Gefahr. Wir wissen, weshalb du Blutvergießen vermeiden wolltest. Aber früher oder später wäre es doch wieder zur Auseinandersetzung gekommen, und dann hätte es vielleicht den Tod von mehr als einem gekostet.«
»Ulbi, dein ist die Weisheit vieler Jahre. Du hast recht. Ich danke dir.« Berry wandte sich an die anderen. »Das Feuerpalaver ist hiermit zu Ende. Bringt Oris' Leiche zu jenen, die heute gefallen sind. Morgen werden wir weiterziehen. Ich habe gesprochen.«
3.
Berry bekam seine feste Siedlung. Trotz aller bekannten Einwände – daß die Männer verweichlichen, die Frauen Unfrieden stiften, und der Boden zu heiß werden würde – stimmten die Londos schließlich zu, noch ehe die Blätter von den Bäumen fielen. Berry hatte bereits den Platz dafür an einem Fluß ausgesucht. Das Meer lag etwas südlich davon, und unmittelbar nordwärts dehnte sich bewaldetes Hügelland aus. Es war die fruchtbarste Gegend, die Berry kannte. Die Wälder würden Wild und Beeren liefern, das Meer Fische und andere Seetiere. Von der Siedlung aus konnten die Männer mit Flößen oder Booten zum Meer oder aber auch landeinwärts rudern.
Die Siedlung würde noch vor dem ersten Schnee stehen. Das war aus vielen Gründen erfreulich, für Berry hauptsächlich jedoch, weil Vrons Bauch wieder geschwollen war und im Frühjahr schon ein zweites Kind ihre Milch brauchte.
Berry bekam seine Siedlung, weil der Stamm während der warmen Monate unter so vielen Überfällen zu leiden gehabt hatte wie nie zuvor. Die Londos wußten, es lag nicht daran, daß Berry schlechte
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