Sklaven für Wutawia / Gauner mit der 'Goldenen Hand'
Tee-Stunde verging wie im Flug.
Danach zog sich Etzel, ermüdet von dem
lebhaften Gespräch mit seinen jungen Gästen, in die Bibliothek zurück, wo er
schon seit einem halben Jahr alte Märchenbücher las, um die eigene Jugend
zurückzuholen.
Heute beschäftigte er sich mit dem
,tapferen Schneiderlein 1 . Zwischendurch las er selbstverständlich
die Börsenkurse und eine Abhandlung über die technische Herstellung von
Instant-, bzw. Schnellbier (Instant = sofort fertig).
Bisher war das Verfahren noch nicht
geglückt. Aber eine Firma arbeitete daran, sogenanntes Bierpulver herzustellen,
das — ähnlich wie beim Pulverkaffee — nur noch mit Wasser aufgegossen werden muß,
um ein schäumendes Helles zu erhalten.
Als ehemaliger Bierbrauer sah Etzel
diese Entwicklung mit Besorgnis und war strikt dagegen.
Währenddessen führte Caroline ihre vier
Freunde auf dem Grundstück herum.
„Irre groß“, stellte Klößchen fest.
„Bin froh, daß dein Großvater damals nicht verkauft hat. Sonst gehörte die
Scholle jetzt uns.“
„Was wäre daran ungut?“ fragte Karl.
„Na, wo mich doch mein Vater in den
Sommerferien immer zum Rasenmähen hernimmt. Nicht auszudenken! Wenn ich mit dem
Mäher den westlichen Horizont erreicht hätte, wäre im Osten das Gras schon
wieder nachgewachsen. Nein, danke!“
„Ein Charakter wie ein Penner“, stellte
Tim fest. „Du wirst dich wohlfühlen in deiner Rolle.“
Klößchen blickte zum Himmel und schlang
fröstelnd die Arme um sich. „Hoffentlich!“
Es war kalt geworden. Der Wind, der
durch den Park pfiff, roch schon wie Nachtfrost.
Unter den Laubbäumen wateten die fünf
Schüler knöcheltief durch welke Blätter.
Gaby entdeckte einen Igel.
Obwohl er sich zusammenrollte, hob sie
ihn vorsichtig auf.
„Schwer genug“, meinte sie, „und schön
fett. Der kommt gut durch den Winter.“
Sie schob das Stacheltier unter einen
Laubhaufen.
Carolines Rehaugen blickten noch
schwermütiger als vorhin beim Tee.
„Ich glaube, ich weiß jetzt, warum ich mich
mit Andy so gut verstehe“, sagte sie übergangslos. „Wenn er auch manchmal
schwierig ist und gern seine Stacheln aufrichtet — wie dieser Igel.“
„Mit einem Igel würde ich ihn nicht
vergleichen“, sagte Tim, der Andy mochte. „Er ist ein Grübler. Manchmal fühlt
er sich finster. Dann ist er empfindlich und schimpft auf Freund und Feind.“
„Aber warum ist er so?“ fragte
Caroline, um gleich darauf zu antworten: „Weil er sich mit seinem Stiefvater
überhaupt nicht versteht. Das ist genau so ein Mistkerl wie meiner.“ Sie
schluchzte auf, trocken. Und ihre Stimme färbte sich noch etwas dunkler. „Wir
haben das gleiche Schicksal: zwei Stiefväter, die nichts taugen. Das
verbindet.“
„Nicht nur das“, sagte Gaby und legte
den Arm um ihre Freundin. „Ihr paßt auch sonst gut zusammen.“
Schlimme Probleme, dachte Tim. Ein
mieser Stiefvater ist fast so übel wie eine böse Stiefmutter. Im Hinblick aufs
Taschengeld fast noch schlimmer. Aber das ist ja letztrangig beim
zwischenmenschlichen Verhältnis.
Er kannte beide nicht: weder Ludwig
Bernholt, den wohlhabenden Chef einer Import-Firma, Andys Vater, noch Carolines
Vater, der Oswald Müller hieß. Das Mädchen hatte den Namen ihres — beim
Bergsteigen tödlich verunglückten — richtigen Vaters beibehalten, des einzigen
Sohns vom alten Etzel. Deshalb hieß sie Caroline von Färber. Die Mutter
hingegen nannte sich Barbara Müller von Färber. Oswald war ihr zweiter Mann.
Tim, der fast alles als erster bemerkt,
deutete zum Tor.
„Andy ist da.“
Sie marschierten hin.
Von innen ließ sich das Tor auch per
Hand öffnen.
Andy stützte einen Fuß auf den Asphalt,
saß ansonsten auf seinem Mountain-Bike, von dem er hoffte, daß es ihm auch am
Dienstag noch gehören werde.
Er war schlaksig gewachsen, trotzdem
zwei Zentimeter kleiner als Caroline und spielte hervorragend Tischtennis. Er
hatte sehr viel braunblondes Haar. Das Gesicht war blaß und wirkte auf
besondere Art vornehm.
„Hallo Leute“, meinte er düster und
schenkte Caroline ein bewölktes Grinsen. „Konnte nicht eher. Hatte wieder Zoff
mit meinem Alten, dem Bernholt. Der kam dazu, wie ich die Säcke von der letzten
Altkleider-Sammlung gefilzt habe. Die Säcke stehen noch bei uns im
Geräteschuppen. Ich nehm die Klamotten raus, und der Bernholt motzt mich an. Er
hat’s nicht zugelassen, daß ich für euch was abzweige. Bin dann heimlich
nochmal hin und habe die Textilien gekrallt. Wäre
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