Snobs: Roman (German Edition)
zwei Kindern unter vier Jahren ist man womöglich erschöpft, hat aber wenig Zeit, um sich zu langweilen, zumal Edith zum Erstaunen ihrer Schwiegermutter kein klassisches Kindermädchen engagierte, sondern lieber eine Reihe von Portugiesinnen und Australierinnen kommen ließ. Ausnahmslos bezaubernde Mädchen (oder fast ausnahmslos), aber nicht gerade Expertinnen in Sachen Kindererziehung. Ich fand dies eine kluge Entscheidung und freute mich, dass auch Charles dieser Meinung war.
Aber zurück zur Frage, was Lady Uckfield wirklich von dem Ganzen hielt: Man müsste sehr früh aufstehen, um zu erfahren, was sie dachte, auf jeden Fall früher als ich. Wie ich vorausgesehen hatte, waren wir nach Ediths Reinthronisation nicht mehr ganz so eng befreundet. Obwohl ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben habe, meine frühere Position als Hoffavorit wiederzuerlangen. Die arme Lady Uckfield hatte sich in der Unterbrechungsphase gestattet, ein wenig zu träumen, und das Fantasieleben, das sie sich mit der lieben Clarissa oder einer Frau ihres Schlags als Juniorschlossherrin zurechtgesponnen hatte, hatte freudige Erwartungen in ihr geweckt. Ironischerweise waren ihre Träume den Hoffnungen der verachteten Mrs. Lavery gar nicht so unähnlich. Auch Lady Uckfield hatte sich als enge Freundin der Familie ihrer Schwiegertochter gesehen. Die beiden Großmütter würden sich vielleicht zum Lunch treffen und eine Ausstellung
besuchen … Daher fiel es ihr schwer, sich mit Ediths Rückkehr auszusöhnen, auch weil sie sich den seltenen Luxus erlaubt hatte, sich während Ediths Abwesenheit ihren wahren Gefühlen zu öffnen. Und sie hatte diese Geheimnisse nicht nur sich selbst und ihrem Mann eingestanden, was schon schlimm genug war, sondern – schlimmer noch – auch mir, einem nicht verwandten Menschen. Sie wusste, dass sie mir damit eine Waffe in die Hand gegeben hatte. Wenn sie nun »unsere liebe Edith« erwähnte, setzte sie sich stets der Gefahr aus, dass ich ihr einen bedeutungsschweren Blick zuwerfen und sie damit innerlich bloßstellen würde. Ich beabsichtigte dies keinesfalls zu tun, doch allein die drohende Möglichkeit ließ das Klima zwischen uns erkalten. Das schmerzte mich und schmerzt mich immer noch, aber dagegen lässt sich nichts tun. Doch werden Adela und ich weiterhin recht regelmäßig nach Broughton eingeladen.
Ich erinnere mich, wie Lady Uckfield einmal das Visier ein wenig herunterließ. Es war bei einer Abendgesellschaft; nach dem Essen verteilten sich die Gäste grüppchenweise im Familiensalon und dem Roten Salon nebenan. Edith stand im Mittelpunkt einer Schar von Bewunderern; verständlicherweise mussten viele Leute bei ihr wieder Boden gewinnen, nachdem sie sie während ihres Exils hatten fallen lassen. Man hätte meinen können, Getreue wie Annette Watson würden nun zur Belohnung mit Einladungen überschüttet, doch ich glaube nicht, dass dem so war – auch dies vielleicht voraussehbar. An jenem Abend machte Edith jedenfalls, umringt von Zuhörern, irgendeine Bemerkung, die mir entfallen ist, aber mit Salven unterwürfigen Gelächters aufgenommen wurde. Ich war allein und hatte mir gerade etwas Kaffee nachgeschenkt, so dass keine zufälligen Lauscher in der Nähe waren, als Lady Uckfield zu mir herantrat.
»Edith triumphans «, sagte sie. Ich nickte. Doch damit wollte sie das Thema noch nicht auf sich beruhen lassen. »Dem Siegreichen die Beute.«
»Hat Edith denn gesiegt?«, fragte ich.
»Meinen Sie nicht?«
»Ich weiß nicht.« Ich zuckte mit den Achseln. Ich wollte mich wohl
als philosophischer Betrachter geben und war dabei in Unaufrichtigkeit abgerutscht, was, wie mir gut vertraut ist, leicht passieren kann.
»Selbstverständlich ist sie die Siegerin«, sagte Lady Uckfield sehr wahrheitsgemäß. »Und damit haben auch Sie gewonnen.«
Das ärgerte mich nun. Was Edith anging, hatte sie Recht, zugegeben, aber nicht bei meinem Anteil daran. Wenn ich je Partei ergriffen habe, dann stand ich beim Ringen um Charles’ Seele immer auf Seiten der Uckfields, und das wusste sie genau. »Machen Sie mir keine Vorwürfe«, verwahrte ich mich entschieden. »Sie haben mich gebeten, Edith nicht zu ermutigen, und das habe ich auch nicht getan. Ihre eigene Tochter hat alles arrangiert, nicht ich. Tatsache ist, dass Charles sie zurückhaben wollte. Voilà tout . Er muss wohl wissen, was das Beste für ihn ist.«
Lady Uckfield lachte. »Genau das weiß er natürlich nicht.« Ihr Ton war ein wenig bitter, vor
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