Snow Angel
sieht einen winzigen Lichtschein am Ende ihres gerade erreichten Tunnel-Tiefpunktes. „Wo ist sie denn jetzt, deine Freundin? Kommt sie noch?“
*
Simon ist froh, dass er nicht mehr Licht gemacht hat und in so günstigem Winkel zu ihr sitzt, dass sie sein Gesicht nur im Profil erkennen kann. Seinen triumphalen Gesichtsausdruck möchte er gern für sich behalten. Die Bombe hat also gezündet! Zu lang war ihre Pause gewesen, bevor sie nach seinem bedeutungsvollen Satz wieder zu sprechen begonnen hat.
Er lässt sich Zeit mit seiner Antwort, bläst kleine Rauchringe in die Luft, freut sich daran, dass sie die Schultern so ein ganz klein wenig eingezogen hat. Ein sicheres Zeichen für die Befürchtungen, die sie vor seiner Antwort hegt.
Er hat sie!
Geahnt hatte er es ja schon gestern Abend, als er sie ins Bett brachte. Das konnte noch an ihrem Unfall und ihrer leichten Unzurechnungsfähigkeit gelegen haben, vielleicht auch in Dankbarkeit begründet gewesen sein. Allzu viele Zweifel hat er zwar nach der Nummer an dem umgefallenen Baum jetzt sowieso nicht mehr, aber man kann ja nie wissen.
Wie lange soll er noch mit seiner Antwort zögern? Wie lange sie auf kleiner Flamme garen? Weil ihm gerade ein kleiner, sehr aktiver Teufel auf der Schulter sitzt und ihm Gemeinheiten ins Ohr flüstert, die ihn ziemlich amüsieren, entschließt er sich, nicht zu antworten, sondern nur eine wegwerfende Handbewegung zu machen. Sie hat es gesehen und ist offenkundig nicht zufrieden. Das gefällt ihm!
*
Arschloch! Na warte! Zusammenreißen jetzt, Nina!
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Weniger gefällt ihm die äußerst direkte Frage, die sie ihm nun stellt. „Wie viele Freundinnen hast du denn immer so gleichzeitig?“
Es ist nur ihr kaum wahrnehmbarer, zaghaft klingender Unterton, der ihn weiter in seiner Sicherheit bestärkt. Im Grunde weiß er, dass sich die Sache mit Lizzy erledigt hat, auch wenn sie ihn ganz gewiss nicht so schnell aus ihren manikürten Fängen lassen wird und es ebenso sicher noch ein bühnenreifes Drama um eine Trennung gibt. Aber: Who the fuck is Lizzy? Er sitzt hier eingeschneit in seiner Hütte mit dem bezauberndsten Mädchen, das ihm je begegnet ist. Sie ist zwar fast zehn Jahre jünger als er, aber gerade ihre Anmut, ihre Frische und ihre offensichtliche Unverdorbenheit machen ihn beinahe wahnsinnig. Sie ist tapfer gewesen bis dahin. Wie viel soll er ihr jetzt in diesem Moment noch abverlangen? Und wie viel sich selbst? Simon legt seine Pfeife weg, steht auf und setzt sich auf den Rand des Sofas. Er spürt, wie sie sich steif macht, fühlt die Angst vor seiner Antwort.
*
Jesus, bitte jetzt keine Erklärung über Ehefrau und drei muntere Kinder!
*
Er will nicht reden, er will handeln. Zärtlich fasst er ihr Gesicht mit beiden Händen. Sie schlägt die Augen nieder.
„Sieh mich an!“
Ihre Blicke begegnen sich. Seiner ist fest und fordernd, ihrer zögernd und nachgiebig. Immer näher kommt sein Mund dem ihren. Er will es auskosten, lässt sich Zeit, hält die Hochspannung so lange wie möglich.
Dieser erste Kuss wird so entscheidend sein!
Sie beginnt zu zittern in seinen Händen. Sacht streicht er mit den Daumen über ihre Schläfen. Sie kann dem Blick nicht mehr standhalten, ergibt sich mit einem leisen Seufzer, schließt die Lider.
Er muss sich zusammenreißen, nicht mit aller Männlichkeit über sie herzufallen. So süß ist dieser weiche Mund, so zärtlich schmiegt sie sich mit der ganzen Hingabe ihres bereiten Körpers an. Simon küsst sie lange. So lange, bis er fühlt, wie das entfachte Feuer alle Dämme in ihr bricht. Dann löst er sich von ihr, sieht sie an. Sie öffnet die Augen nicht, drängt sich dicht an ihn, will offenbar nicht, dass es vorbei ist. Er hält sie noch ein Weilchen, spürt dem Beben nach, das allein schon der Kuss in ihr angerichtet hat, bemüht sich, die eigene Erregung noch im Zaum zu halten, ihre langsam auspendeln zu lassen. Nicht hier, nicht „einfach so“, nicht schnell und gierig. Er will sie ganz auskosten. War es ihr Antwort genug? Nein, er muss sich erklären. „Nina?“
„Ja?“ Langsam taucht sie wieder auf.
„Du hast mich nach Freundinnen gefragt.“
Unsicher sieht sie ihn an und nickt.
„Um ehrlich zu sein, gegenwärtig habe ich ganz offiziell bestenfalls eine halbe.“
„Eine halbe? Die fällt dir doch dauernd um!“
„Die Vorstellung von einer dauernd umfallenden Lizzy hat was“, grinst er, „aber ganz unrecht hast du nicht. Sie ist,
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