Snow Angel
Wanne gemütlich machen. Ich feuere dir den Badeofen an. Geht eigentlich ganz schnell, dann hast du vierhundert Liter heißes Wasser zur Verfügung. Wird reichen, oder? So dreckig bist du ja nicht.“
Nina wird es schon wieder ziemlich warm unter seinem prüfenden Blick. Ihre Skiunterwäsche ist nicht wirklich geeignet, viel von ihren Formen zu verbergen. Was ihr bisher vollkommen egal gewesen ist, beginnt ihr langsam etwas unangenehm zu werden. Seit dem Kuss ist alles anders. Gestern, nach dem Unfall, war sie für ihn nichts als eine Patientin. So zumindest schätzt sie sein sehr professionelles Verhalten bis dahin ein. Jetzt, wo die Luft zwischen ihnen geradezu hörbar zu knistern begonnen hat, fühlt sie sich in den hautengen, hauchdünnen Sachen wie ein verführerisches Törtchen unter Cellophanfolie. Einfach „too much“, um sich noch sicher und halbwegs vorbehaltlos vor ihm bewegen zu können.
Sie zieht die Wolldecke ein bisschen höher bis zum Hals hinauf, tut vorsichtshalber fröstelnd und sieht ihm zu, wie er mit einem schweren Korb voller Holzscheite im Bad verschwindet. Nur kurze Zeit später hört sie schon das verheißungsvolle Bollern des Badeofens.
„Ich werde sicher eine Stunde brauchen, bis ich zurück bin. Die Tür schließe ich vorsichtshalber ab. Es ist zwar nicht unbedingt zu erwarten, dass hier überhaupt irgendein Mensch heraufkommen kann, aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Okay?“
Simon steigt in seinen Schnee-Overall, ruft Ben, haucht ihr noch einen flüchtigen Kuss auf die Wange und dreht sich noch einmal in der offenen Tür um. „Ein paar saubere Klamotten habe ich dir übrigens ins Bad gelegt. Ich hoffe, es ist was dabei, was dir einigermaßen passt.“
Die schwere Eingangstür fällt zu und Nina hört, wie sich der Schlüssel knarrend im Schloss dreht. Sie ist allein.
5. Kapitel
Einen Moment lauscht sie noch dem Knirschen der sich entfernenden Schritte und Bens Gebell. Offenbar packt Simon an der Rückseite der Hütte Wildfutter zusammen. Dann wird es ganz still. Nina wickelt sich aus ihrer Decke und geht ins kuschelig warme Bad.
Während sie das heiße Wasser einlaufen lässt, fällt ihr Blick auf ein Häufchen mit Kleidungsstücken, die ordentlich auf einen kleinen Schemel gelegt sind. Ein schwarzes Fleeceshirt mit dickem Kragen, eine Jeans, ein paar Socken, ein dünner, langärmeliger Unterziehrolli und – ganz zuunterst ein ziemlich extravaganter hauchdünner, nachtschwarzer Spitzenstring.
Ach du liebe Güte!
Nina hält diesen Hauch von Nichts gegen das Licht, dreht ihn in den Händen und fühlt sich mit ihrer Entdeckung vollkommen niedergeschlagen.
Wem gehört der? Wie viele Frauen hat er hier oben in der Hütte schon verführt? Wie lang ist die Liste schon, in die er mich jetzt einreiht?
Auf die Idee, die anderen, ganz alltäglichen Kleidungsstücke in ihre Überlegungen mit einzubeziehen, kommt sie gar nicht. Es ist dieses Dessous, das sie völlig aus der Bahn wirft. Dass ein Mann in seinem Alter schon eine ganze Reihe Verflossener haben wird, ist ihr klar. Aber an wessen Körper der String ihn um den Verstand gebracht haben muss, das wüsste sie gern.
Sie sucht und findet das winzige Waschzettelchen in Schwarz mit hauchdünner gestickter Hersteller- und Größenangabe. Achtunddreißig steht da. Kaum zu entziffern.
Hat Simon nicht etwas von einer extrem dünnen Freundin erzählt? Trägt so eine Frau dann achtunddreißig?
Nina ist eifersüchtig! Dieses Gefühl ist ihr so noch nie begegnet. Beinahe wäre es ihr entgangen, dass die Wanne kurz vor dem Überlaufen ist. Hastig dreht sie das Wasser ab, findet einen ziemlich männlich riechenden Badezusatz, von dem sie zwei Kappen voll ins Wasser gießt.
Der Geruch beruhigt ihre angespannten Nerven.
Wenigstens muss ich nicht in einem edlen Damenduft baden, den irgendeine Schnepfe hier hat stehenlassen!
Sie taucht bis zu der malträtierten Stirn unter, findet auf dem Wannenrand Shampoo, wäscht sich die Haare, die eigentlich eine Spülung gebraucht hätten, um sie zu entwirren. Es ist keine Spülung da.
Gott sei Dank!
Ein weiteres typisch weibliches Utensil, das fehlt.
Für ein paar Minuten bleibt sie noch im Wasser liegen, und hängt ihren Gedanken nach. Sie wird ihm vielleicht ein paar genauere Fragen stellen. Oder lieber doch nicht? Ist es eigentlich wichtig, welche Beziehungen seine Vita bis heute hergibt? Eigentlich möchte Nina all dies abschütteln, möchte
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