So kuesst nur ein Millionaer
Schon wieder. In den letzten drei Stunden war ihm schon ein paarmal der bissige Tonfall aufgefallen, in dem sie miteinander sprachen.
Vielleicht war Nicole wirklich der Meinung, dass dies die ideale Umgebung sei, um ein Kind aufzuziehen. Aber Ryan hatte große Zweifel. Diese Vorstadtidylle war trügerisch. Beth und Patrick schienen ernsthafte Schwierigkeiten in ihrer Ehe zu haben, und auf keinen Fall sollte sein Kind in eine hässliche Scheidung hineingezogen werden, wie er sie selbst hatte erleben müssen. Ein Grund mehr, sich nur mit dem vollen Sorgerecht zufriedenzugeben. Denn er ging jede Wette ein, dass die Ehe von Beth und Patrick nicht mehr sehr lange halten würde.
Beth erinnerte ihn sehr an seine Mutter. Sie hatte die gleiche Märtyrerhaltung wie seine Mutter, als sie fünfundzwanzig Jahre zuvor ihren damals zehnjährigen Sohn genommen und ihren Mann verlassen hatte. Bis er volljährig war, hatte sie den Sohn als Waffe benutzt, um seinen Vater unter Druck zu setzen und gegen seine „Geliebte“, seine Arbeit, Front zu machen.
Doch ihre Klagen waren bei dem Sohn auf taube Ohren gestoßen. Schon sehr früh hatten sich seine Liebe und sein Talent für die Architektur gezeigt. Solange er denken konnte, hatte er gespannt neben dem Zeichentisch des Vaters ausgeharrt und ihn bei seiner Arbeit beobachtet. Nach der Trennung der Eltern war das zwar seltener geworden, aber sowie er volljährig war, hatte er seine Leidenschaft zu seinem Beruf gemacht.
Die Arbeit war für beide Patricks das Wichtigste in ihrem Leben. Frauen waren unzuverlässig und bösartig. Das hatte auch Ryan während seiner Ehe bitter lernen müssen, denn seine Frau hatte ihn belogen und betrogen.
Dann fiel sein Blick auf die Jüngste der Hightower-Kinder, die ihn besonders interessierte. Denn obwohl sie ihrer Mutter und Nicole sehr ähnlich sah, passte sie nicht hierher. Das war ihm bereits aufgefallen, als sie mit einer dröhnenden Harley-Davidson vorgefahren war. Sie war eine Außenseiterin, wie er ein Außenseiter war. Auch wenn Nicole immer wieder versuchte, sie ins Gespräch mit anderen einzubeziehen, war deutlich zu erkennen, dass zwischen ihr und den Geschwistern eine Kluft bestand. Nicole war sowieso die Einzige, die sich um ihre Schwester kümmerte.
Jetzt blickte die jüngste Hightower zu ihm hinüber, sah, dass sein Blick auf ihr ruhte, und kam mit langen Schritten auf ihn zu. Mit ihren hautengen Jeans und den hohen schwarzen Lederstiefeln wirkte sie in dieser Umgebung wie ein Wesen von einem anderen Stern. Früher hätte ihre wilde Aufmachung den Rebellen in Ryan angesprochen, aber aus irgendeinem Grund war er nicht beeindruckt.
Dicht vor ihm blieb sie stehen. „Du siehst nicht so aus, als seist du einer von Beths hochnäsigen Nachbarn.“
Ryan musste lächeln und reichte ihr die Hand. Er schätzte die Nachbarn genauso ein. „Ich bin Ryan Patrick. Und, nein, ich wohne nicht hier in der Gegend.“
Als sie den Namen hörte, hob sie kurz fragend die Augenbrauen, dann schüttelte sie Ryan die Hand. „Lauren Lynch.“
Lynch? Nicht Hightower? Wieso sah sie dann Nicole so ähnlich? „Sie gehören nicht zu dem Hightower-Clan?“
„Nicht ganz. Jacqueline Hightower ist zwar meine Mutter, aber William ist nicht mein Vater. Mein Vater ist vor ein paar Monaten gestorben. Und bevor du deine kleinen grauen Zellen zu sehr anstrengst, um dieses Rätsel zu lösen, sage ich es dir gleich. Meine Mutter hatte eine Affäre mit einem Piloten von Hightower Aviation. Und ich bin das Produkt dieser Affäre. Nach der Geburt hat sie mich meinem Vater überlassen und ist als treu sorgende Hausfrau und Mutter zu William Hightower zurückgeeilt.“
Aha, deshalb existierten diese Spannungen zwischen Lauren und ihren Halbgeschwistern. „Tut mir leid, dass Sie Ihren Vater verloren haben.“
„Danke. Ja, sein Tod war hart für mich. Aber er gab mir die Gelegenheit, meine Familie kennenzulernen, von deren Existenz ich bisher nichts gewusst hatte. Und weshalb bist du hier? Bist du ein Kunde von Hightower Aviation?“
„Noch nicht. Aber ich bin am Überlegen, ob ich nicht mit Hightower einen Vertrag schließen sollte.“ Das wäre für ihn tatsächlich sinnvoll, weil er doch oft weite Strecken zurücklegen musste. Aber eigentlich hatte er an einen anderen Vertrag gedacht. Einen, der nichts mit Fliegen zu tun hatte.
„Bist du verheiratet?“
Ganz schön direkt, die Kleine. „Nicht mehr. Und Sie?“
„Um Himmels willen! Ich war nie verheiratet und
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