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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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ein, zwei Exemplare zu, den Rest später. Zunächst für die Kinder. Je kleiner die Montur, um so niedriger die Anschaffungskosten. Deine Tochter…«
    »Holly ist erst vier.«
    »Eine kluge Entscheidung, wirklich gescheit. Ich muß dir sagen, wenn ich an die Kleinen denke, hab ich gleich ’n Kloß im Hals. Also, wie ich die Sache sehe, kommen die Sprengköpfe nicht früher als in zwei Jahren angerauscht. Klar, ich weiß, wenn’s soweit ist, fahren wir alle im Honda zur Hölle, aber die Finanzwelt geht trotzdem von noch zwei Jahren aus. Folglich brauchst du was, das Holly paßt, wenn sie sechs ist, stimmt’s? Normalerweise reden wir über siebentausend George-Washington-Bildchen, aber für dich, meinen alten Spezi-Spezi, machen wir ’n Sonderpreis, ich denke da an sechstausendfünfhundertfünfundneunzig zuzüglich Steuer.«
    »Das ist ja mehr, als ich… Ich weiß nicht genau, wahrscheinlich mehr, als ich in vier Monaten verdiene. Fünf. Da muß ich einfach nein sagen.«
    Der ARES-Monturen-Händler trommelte mit gestrecktem Zeigefinger auf dem Vertragsformular herum. »Du glaubst doch nicht, wir sprechen hier über sofortige Barzahlung? Es geht um Ratenzahlung, um lächerliche, winzigkleine Raten.« Seine Finger huschten über einen Taschenrechner. »Bei einer fünfprozentigen Umsatzsteuer und einem jährlichen Zinssatz von achtzehn Prozent beziehungsweise eins Komma fünf Prozent pro Monat finanzieren wir die Montur durch eine feststehende Monatsrate in Höhe von dreihundertfünfundvierzig Dollar einundsiebzig Cent, und in zwei Jahren ist Hollys Montur euer Eigentum. Soviel gibst du wahrscheinlich für Bier aus.«
    George nahm den Kaufvertrag zur Hand und versuchte ihn zu lesen, doch die Worte wollten sich für ihn zu keinen klaren Aussagen verdichten. Holly malte gerne. Jeden Tag fertigte sie im Durchschnitt vier Buntstiftzeichnungen an. Am Kühlschrank hing eine lebensechte Abbildung Georges, eine in der Tat völlig wirklichkeitsgetreue Wiedergabe.
    Andererseits: Wenn ein Krieg der Art ausbrach, wie John sie voraussagte, spielte es keine Rolle mehr, wieviel der Besuch einer Kunstschule kostete.
    »Hast du zufällig die Größe für ’n sechsjähriges Kind dabei? Ich meine… Ich frage mich bloß, wie die Dinger aussehen.«
    Johns Lächeln fiel blasiert aus. »Wer ARES-Zivilschutz-Monturen vertreibt, George, muß auf alles gefaßt sein.«
    Gemeinsam verließen sie das Büro und suchten sich einen Weg durch den kleinen Scheinfriedhof. Die Mehrzahl der ausgestellten Grabsteine spiegelten makabren Optimismus wider: Sie trugen keine Inschriften. Erst gingen sie durch die Ansammlung protestantischer Muster, dann die katholische Abteilung und zuletzt die Präsentation jüdischer Grabmalskunst. John öffnete das Heck seines Lieferwagens und klomm in den dunklen Laderaum, in dem mehrere Dutzend ARES-Monturen verschiedener Größen baumelten; sie sahen aus wie in einer U-Bahn zusammengedrängte Fahrgäste. George bemerkte eine für einen Hund und eine für einen Säugling zugeschnittene Montur.
    Während des Rückwegs hätte ein zufälliger Zuschauer bei ihrem Anblick an eine Leichenräuberei des neunzehnten Jahrhunderts erinnert werden können: Zwei Männer schleppten eine schlaffe, bleiche Menschengestalt über einen Friedhof. Vornweg George, stämmig, muskulös und mit derben Gesichtszügen, die sich gegen das Gestrüpp seines Barts und den Urwald seiner Kopfbehaarung nur mühselig zu behaupten schienen; dahinter John, hochgewachsen, säuberlich rasiert, auf aggressive Weise von gutem Aussehen, betont verbindlich in seinem Gebaren. Zum Schluß folgten ihnen die Kinder in Weiß ins Büro. John und George hängten die kleine Montur über den Drehsessel. George versuchte, sich an die Namen der Jungs Johns zu entsinnen. Der Jüngste besuchte dieselbe Kindertagesstätte wie Holly und hatte dort eines Tages die Hamster abgemurkst. Ricki, hieß er so? Oder Nathan?
    »Mister Paxton will sich über eure Monturen informieren«, verkündete John in wichtigtuerischem Tonfall, indem er seine Söhne vor sich hinstellte wie Rekruten beim Heer. »Gary, erklär ihm die Kopfschutz-Funktionen.«
    Der Fünfzehnjährige hob sich den einem Dinosaurierei vergleichbaren Helm vom Kopf. Er hatte die beunruhigende Attraktivität seines Vaters geerbt. »Bei sensorischer Erfassung der Detonation werden die Ohrhörer abgeschaltet«, leierte Gary. »Dadurch wird das Platzen der Trommelfelle infolge der Druckwelle vermieden. Die Rundumbeschichtung

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