So schoen und kalt und tot
„Manchmal fühle ich mich, als hätte ich bei unserem Sohn versagt. Er führt ein Eigenleben, zu dem wir beide keinen Zutritt haben. Der Junge ist elf Jahre alt, doch er wirkt auf mich wie ein Erwachsener, der den Bezug zur Realität verloren hat.“
„Siehst du das alles nicht ein wenig zu schwarz, Darling?“ Der Laird streichelte seiner Frau zärtlich über das schimmernde nachtschwarze Haar. „Unser Sohn ist auf dem Weg, erwachsen zu werden. Er wird verschiedene Möglichkeiten ausprobieren, bis er seine Richtung gefunden hat. Frau Mansfield wird ihm dabei behilflich sein, davon bin ich überzeugt.“
Lady Angela erhob sich und ging um den Sessel herum. Dann blieb sie vor ihrem Mann stehen und schaute ihm ins Gesicht. „Du nimmst mich nicht ernst, Ian.“
„Ich liebe dich, Angela“, antwortete Ian McGregor und schloss seine Frau in die Arme. „Und ich möchte nicht, dass du dir unnötig Sorgen machst. Glaub mir, ich nehme dich sehr ernst. Doch wenn ich merke, dass du dir alles zu sehr zu Herzen nimmst muss ich dich beruhigen. Das ist mir ein Bedürfnis."
„Dann glaubst du also gar nicht an das, was du mir sagst?“, fragte die wunderschöne Lady alarmiert. „Hatten wir uns nicht versprochen, uns immer die Wahrheit zu sagen? Oh Ian, du kennst mich wohl noch immer nicht, obwohl wir schon bald dreizehn Jahre miteinander verheiratet sind.“
„Dass du dich da nicht irrst, Darling.“ Er verschloss ihren Mund mit einem zärtlichen Kuss. „Warte auf Theresa Mansfield. Sie hat die besten Referenzen. Wenn jemand unserem Benjamin den richtige Weg zeigen kann, dann sie.“
Lady Angela fiel es nicht leicht, nichts darauf zu antworten. Doch sie kannte den besonderen Unterton in Ians Stimme, der keinen Widerspruch duldete. Deshalb schwieg sie. Doch ihr Herz war schwer, und die dunklen, drohenden Schatten kamen immer näher…
Von der Unterredung der Eltern hatte Benjamin McGregor keine Ahnung. Vermutlich hätte es ihn auch nicht sonderlich interessiert. Er hatte Wichtigeres zu tun.
Ein paar Spatenstiche noch, dann war die Grube groß genug. Zufrieden betrachtete der Junge sein Werk. Mit jeder Grube, die er aushob, fühlte er sich wichtiger und seinem Ziel näher. Wie genau sein Ziel aussah wusste er jedoch nicht. Aber er spürte, dass er, wenn die Zeit gekommen war, den Grund für sein seltsames Verhalten erfahren würde.
Als die Grube tief genug war lief er eilig davon und verschwand noch tiefer im Dunkel des Parks. Es hatte angefangen zu regnen, doch die ganze Zeit über hielten die Blätter schützend ihr Dach über den Jungen. Nach einiger Zeit jedoch begann es zu tropfen.
Benjamin hielt in seiner Arbeit inne und schaute verärgert nach oben. Das Wasser lief in sein Gesicht und seine Augen. Doch er ließ sich nicht von seinem Vorhaben abhalten. Bald war er hinter den niedrigen, besonders dichten Büschen in der Nähe der Mauer verschwunden.
Nach einiger Zeit kam er wieder aus dem schützenden Dunkel. In seinen Armen trug er ein Bündel, das in weiße Tücher eingehüllt war. Es sah aus wie ein Körper, aber das war natürlich Unsinn. Oder nicht?
Benjamin schaute sich nervös um, und als er sah, dass die Luft rein war lief er zu der ausgehobenen Grube und ließ dieses Etwas ein wenig unsanft nach unten gleiten. Es war noch immer in das weiße Leintuch gehüllt, so dass man nicht erkennen konnte, worum es sich handelte. Aber der Größe und der Form nach zu urteilen musste es sich wohl um einen nicht sehr großen Hund handeln, der auf diese beinahe unheimliche Art und Weise zu Grabe getragen wurde.
Eilig schaufelte Benjamin die Grube wieder zu und schichtete sogar noch einen kleinen Hügel auf. Dann betrachtete er zufrieden sein Werk. Er nickte. „So ist es schön. Schlaf gut, Bellady. Hier wird es dir besser gehen.“ Er pflanzte noch einige der Blumen ein, die er mitgebracht hatte.
Inzwischen war der Regen heftiger geworden. Benjamins schwarze Haare klebten glänzend an seinem Kopf und die Tropfen liefen über seine Stirne und in seine Augen. Er wischte seine schmutzigen Hände an der Hose ab. Offensichtlich fiel es ihm schwer, sich von seinem Werk zu trennen.
Ein greller Blitz zuckte über den dunklen Himmel und erhellte den Park für einen kurzen Augenblick. Gespenstische Schatten huschten über den Kiesweg, die sich im Nichts verloren.
Benjamin wusste, dass es Zeit wurde, ins Haus zu gehen, wenn er heftigen
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