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So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

Titel: So sollst du schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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Stück den Weg entlang. Tilly beschnüffelte mein schlammverschmiertes Gesicht, wich jedoch zurück, als ihr eine geballte Ladung meines alkoholgeschwängerten Atems entgegenschlug. Ich unternahm nicht einmal mehr den Versuch, wieder auf die Beine zu kommen, sondern blieb liegen und blickte zum nächtlichen Himmel hinauf, während ich spürte, wie allerlei über mich hinwegspülte – Sterne, Glück, Wut, Angst. Doch in allererster Linie fühlte ich mich einfach nur lebendig.
    »Was tun wir hier überhaupt?«, schrie ich – meine Frage war nicht im existenziellen Sinne gemeint, doch als die Worte erst einmal über meine Lippen gekommen waren, erschien es mir, als sei es doch so.
    Irgendwann danach – ich hatte keine Ahnung, wie und in welcher Zeitspanne es geschah – lagen Joe und ich nebeneinander in unserem durchgelegenen, klammen Bett. Tilly hatte sich am Fußende häuslich eingerichtet, allerdings brachte ich nicht die Energie auf, sie zu verscheuchen. Außerdem herrschte in dem Häuschen Eiseskälte, so dass sie als herrliche Wärmflasche diente. Joe hatte mir das Blut und den Schmutz vom Gesicht und den Beinen gewaschen. Ich konnte mich nicht erinnern, dass er mich jemals in einem solchen Zustand gesehen hatte, doch dies hier waren ganz besondere Umstände, auch wenn ihm das nicht bewusst war. In unserem Zimmer gab es einen elektrischen Ofen, und ich heftete meinen Blick auf den rot glühenden Schein an der Zimmerdecke, was nicht so einfach war, wie es sich anhört, da sich besagte Zimmerdecke wie wild gegen den Uhrzeigersinn drehte.
    »Halt endlich die Zimmerdecke an!«, sagte ich zu niemand Bestimmtem und fragte mich, wo Joe abgeblieben sein mochte.
    Es gelang mir, meinem Blick von dem Karussell über mir zu lösen. Oh, er lag direkt neben mir. Die Art, wie er mich mit seinen acht Augen ansah, gefiel mir überhaupt nicht: berechnend, abschätzend. Dieser Dreckskerl nützte meine missliche Lage aus. Er stützte sich auf einen Ellbogen und musterte mich eindringlich.
    »Ich habe keine Ahnung, wie ich dich nennen soll«, sagte er leise.
    »Trunkenbold?«
    »Wieso hast du deinen Namen geändert?«
    »Lorrie. Ich bin Lorrie. Nenn mich Lorrie. Rote Lorrie, gelbe Lorrie.«
    »Nur noch mal zur Sicherheit, ob ich es auch richtig mitbekommen habe. Nate war dein Lehrer?«
    Ich zuckte zusammen. »Nenn ihn nicht Nate, Joe. Du kannst doch einen Lehrer nicht bei seinem Vornamen nennen. Das gibt Ärger. Er heißt Mr   Steinberg.«
    »Ich nenne ihn aber nicht Mr   Steinberg, schließlich war er nicht mein Lehrer.«
    »Und ich kann ihn nicht Nate nennen.«
    »Egal. Jedenfalls war er auch Megans Lehrer, und er hat sie geheiratet, richtig?«
    »Er war unser Lehrer. Genau.«
    »Wie alt warst du, als er angefangen hat?«
    »Was ist das hier? Die spanische Inquisition?« Natürlich hatte ich das Wort wegen der vielen i s und s ’ nicht genau so ausgesprochen, aber ich bin sicher, Joe verstand, was ich meinte.
    »So was ist doch nicht normal!«, erklärte er.
    An diesem Punkt musste ich meinen Fokus ändern und mich auf zwei seiner Augen konzentrieren.
    »Normal? Normal? Was zum Teufel hat denn Normalität mit all dem zu tun? Normal ist doch ein völlig relativer Begriff. Du hast eine ganz andere Vorstellung von normal als wir.«
    »Also unterscheidest du zwischen uns und ihnen?«
    »Ich gehöre zum Uns. Nicht zu ihnen«, erklärte ich eilig. Dabei war ich nicht ganz sicher, wo ich in Wahrheit stand.
    »Joe?« Mittlerweile war ich ernst geworden. »Joe, weißt du, was das Allerschlimmste ist?«
    An dieser Stelle muss ich mich aufgesetzt haben, da ich mitbekam, wie die Daunendecke auf die elektrischen Heizstäbe rutschte.
    »Sie sind erwachsen und haben den Entschluss gefasst, ihre Kinder dorthin zu schicken. Diese Verräter.«
    Ich sah zu, wie Joe auf die Flammen einschlug.
    Ich fuhr aus dem Schlaf hoch. Es war kein Traum gewesen. Sondern die Realität. Joe lag neben mir und schlief tief und fest. Tilly hatte sich unter die Decke verkrochen und quer über meine Beine gelegt, so dass ich mich kaum bewegen konnte.
    Vorsichtig schälte ich mich aus dem Bett und ließ den Blick über die Beweise unserer nächtlichen Aktivitäten schweifen. Die versengte Bettdecke hing nass über der Tür. Das Badetuch war blut- und schmutzverkrustet, außerdem hatte ich allem Anschein nach sämtliche Kleiderbügel aus dem Schrank gezerrt. Ich betrachtete mein Knie, das eine breite, rot verkrustete Schnittwunde zierte. Ich schnappte mir Joes Pulli,

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