So still die Nacht
Ihre drei kleinen Katzen – tot. Wegen einer Gartenparty? Kummer, vermischt mit ihren anderen Ängsten, raubte ihr den Atem. Der Himmel, die Blumen, das große, prächtige Haus … alles wurde grau.
Vielleicht sollte sie die Traffords verlassen. Weit weggehen, vielleicht nach Amerika. Irgendwohin, wo niemand sie kannte. Sie konnte eine Stelle als Gouvernante oder Kinderfrau annehmen. Sie hatte nicht viel Geld, nur den Erlös von dem Verkauf des kleinen Hauses ihres Vaters in Manchester.
Aber Mark …
»Ich bin geschickt worden, um nach Ihnen zu suchen«, erklärte Evangeline. »Mein Vater möchte mit Ihnen sprechen.«
Mina nickte. Ihre Arme hingen schlaff an ihren Seiten herunter, als sie zusammen mit ihrer Cousine ins Haus zurückkehrte.
Draußen vor dem Arbeitszimmer fügte Evangeline hinzu: »Ich denke, es ist noch jemand bei ihm, aber ich weiß nicht, wer.«
Mina klopfte. Als ihr Onkel sein »Herein« rief, trat sie ein.
Mark erhob sich von einem Stuhl. Er hielt seinen Hut und seine Handschuhe und schaute ernst drein. Sie erstarrte. Nicht weil sie ihn nicht zu sehen wünschte, sondern weil sie nichts lieber getan hätte, als zu ihm zu rennen und sich in seine Arme zu werfen, um wegen drei dummer kleiner Katzen und einem Häufchen zerfetzter Notizen hemmungslos an seiner Brust zu schluchzen.
»Guten Morgen, Lord Trafford«, sagte sie. »Lord Alexander.«
»Kommen Sie herein, Mina. Bitte, nehmen Sie Platz«, lud ihr Onkel sie mit einer Geste ein. Er trat neben den Kaminsims.
Mina tat wie geheißen. Auf unsicheren Beinen ließ sie sich auf den Stuhl neben Mark sinken. Er nahm ebenfalls Platz. Eine plötzliche Furcht durchzuckte sie – waren sie hier, um sie wegen ihres Vaters zur Rede zu stellen? Ihr Gesicht und ihre Kopfhaut wurden taub. Es war das Schlimmste, was sie sich vorstellen konnte: dass Lord Alexander, der Mann, der sie so süß und so leidenschaftlich geküsst hatte, in ihr eine Lügnerin sehen würde – eine Betrügerin.
Lords Traffords Gesichtsausdruck verriet nichts. »Lord Alexander ist heute Morgen mit einer ganz besonderen Bitte hierhergekommen.«
»Ach ja?«, antwortete sie schwach. »Worum geht es denn?«
Mark sah sie eindringlich an. Ihr Onkel schien zu zögern. Auf der Kante ihres Stuhls wartete Mina erwartungsvoll, die Hände zu Fäusten geballt.
»Lord Alexander« – Lord Traffords Lippen verzogen sich zu einem trägen Lächeln, und seine Augen funkelten – »hat mich gebeten, um Ihre Hand anhalten zu dürfen, und ich habe zugestimmt.«
»Er … hat …?« Das war alles, was sie hervorbringen konnte. Ihr Mund und ihr Gehirn funktionierten nicht nach Wunsch.
Sie sah Mark an. Der intensive Augenblick schärfte seine Züge. Er schenkte ihr ein schiefes, hoffnungsvolles Lächeln.
»Ja, das habe ich getan«, bestätigte er.
Das war ganz und gar nicht das, was sie erwartet hatte. Ihre Lungen verengten sich, sie bekam keine Luft.
»Ich – ich weiß nicht.« Ihr Gesicht – ihre Zunge und ihre Lippen – waren vor Schreck wie gelähmt. »Wir kennen einander nicht einmal richtig.«
Mark nickte. Er sah Lord Trafford an und sagte: »Könnte ich vielleicht einen Moment allein mit Miss Limpett sprechen?«
»Natürlich.« Lord Trafford eilte zur Tür. »Ich werde in Kürze nach Ihnen beiden sehen.«
Entschieden schloss er die Tür hinter sich.
»Ich weiß, mein Antrag kommt sehr plötzlich. Ich weiß auch, dass er vollkommen unerwartet ist.« Mark ergriff ihre Hand. »Aber ich muss hier weg. Weg aus England, und ich möchte, dass Sie mit mir kommen.«
Mina lächelte ihn an, und Tränen schossen ihr in die Augen. »Sie wollen mich nicht heiraten.«
»Doch, das will ich.« Ein verwunderter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. »Ich kann ehrlich sagen, dass es nichts gibt, was ich mir mehr wünsche.«
»Warum?«, fragte sie leise und blinzelte ihn unter Tränen an.
»Warum was?«
»Warum das alles. Warum wollen Sie mich heiraten? Warum müssen Sie England verlassen? Warum jetzt?«
»Weil ich Sie will. Ich brauche Sie. So einfach ist das. Und wir haben so viel gemeinsam, Mina. Wir teilen eine Liebe für die wirklich wichtigen Orte auf der Welt und die Entdeckung alter Dinge. Ich weiß, diese Stadt macht Sie nicht glücklich, ebenso wenig wie mich. Es gibt zu viele Regeln und zu viele Intrigen. Es ist ein seelenloser Ort, und ich wünsche mir sehnlichst, fortzukommen und zu dem zurückzukehren, was für mich immer wahrhaftig war. Kommen Sie mit mir mit.«
»Sie kennen mich
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