So wahr uns Gott helfe
Tag des Woodson-Prozesses in den Zeugenstand trat. Während der Befragung durch den Staatsanwalt Jerry Vincent schilderte Torrance das Gespräch, das er angeblich eines Vormittags im Aufenthaltsbereich mit Woodson geführt hatte. Woodson habe ihm nicht nur die Morde gestanden, sondern auch zahlreiche Details der Tat offenbart. Dabei wurde den Geschworenen immer wieder zu verstehen gegeben, dass es sich um Details handelte, die nur dem Mörder bekannt sein konnten.
Vincent führte Torrance an der kurzen Leine durch seine Zeugenaussage. Er stellte ihm lange Fragen, die auf knappe Antworten abzielten. Seine Fragen waren derartig überfrachtet, dass man sie schon als suggestiv hätte bezeichnen können. Aber ich verzichtete auf einen Einspruch, obwohl Richter Companioni mich mit hochgezogenen Augenbrauen förmlich darum anbettelte. Ich wollte, dass die Geschworenen das Spiel der Anklage selbst durchschauten. Wäre ich dann bei Torrance an der Reihe, würde ich ihm bei seinen Antworten viel Raum lassen und mich bewusst zurückhalten, während ich die Klinge schmiedete.
Um elf beendete Vincent seine Zeugenbefragung, und der Richter erkundigte sich, ob ich eine frühe Mittagspause wolle, bevor ich mit dem Kreuzverhör begann. Ich erwiderte, ich brauche oder wolle keine Pause. Dabei schlug ich einen leicht empörten Ton an, als könnte ich keine Stunde länger warten, mir den Mann im Zeugenstand vorzuknöpfen. Dann erhob ich mich, schnappte mir meinen dicken Aktenordner und einen Notizblock und marschierte vor ans Pult.
»Mr. Torrance, mein Name ist Michael Haller. Ich arbeite für das Public Offenders Office und vertrete Barnett Woodson. Sind wir uns schon einmal begegnet?«
»Nein, Sir.«
»Das dachte ich eigentlich auch nicht. Aber Sie und der Angeklagte, Mr. Woodson, sind alte Bekannte, ist das richtig?«
Torrance schüttelte grinsend den Kopf. Ich hatte mich gründlich über ihn informiert und wusste genau, mit wem ich es zu tun hatte. Er war zweiunddreißig Jahre alt und hatte ein Drittel seines Lebens in Haftanstalten verbracht. Die Schule hatte er bereits in der vierten Klasse abgebrochen, ohne dass ein Elternteil davon Notiz genommen hätte. Infolge der Drei-Verurteilungen-Regel des Staates Kalifornien drohte ihm eine lebenslängliche Haftstrafe, sollte er in dem in Kürze gegen ihn angesetzten Prozess für schuldig befunden werden. Ihm wurde zur Last gelegt, die Geschäftsführerin eines Münzwaschsalons beraubt und mit einer Pistole niedergeschlagen zu haben. Begangen hatte er diese Straftat im Zuge der dreitägigen Unruhen und Plünderungen, ausgelöst durch die Freisprüche der vier Polizisten, die der übertriebenen Gewaltanwendung gegenüber Rodney King angeklagt gewesen waren – ein schwarzer Autofahrer, den sie wegen zu schnellen Fahrens angehalten hatten. Kurz gesagt, Torrance hatte gute Gründe, dem Staat dabei zu helfen, Barnett Woodson hinter Gitter zu bringen.
»Wir kennen uns höchstens ein paar Monate«, grinste Torrance. »Aus der Hochsicherheit.«
»Aus der Hochsicherheit?« Ich stellte mich dumm. »Reden Sie hier von irgendeiner Sicherheitsorganisation? Oder wie soll ich das verstehen?«
»Nein, der Hochsicherheitstrakt. Hier im County.«
»Sie meinen also das Gefängnis, richtig?«
»Richtig.«
»Und Sie wollen damit sagen, dass Sie Barnett Woodson erst dort kennengelernt haben?«
Ich tat überrascht.
»Ja, Sir. Wir haben uns erst im Gefängnis kennengelernt.«
Ich schrieb etwas auf meinen Block, als wäre das ein wichtiges Eingeständnis.
»Dann lassen Sie uns mal nachrechnen, Mr. Torrance. Barnett Woodson wurde am fünften September dieses Jahres in den Hochsicherheitstrakt eingeliefert, in dem Sie bereits inhaftiert waren. Erinnern Sie sich daran?«
»Ja, ich weiß noch, wie er eingeliefert worden ist, klar.«
»Und warum saßen Sie im Hochsicherheitstrakt?«
Vincent erhob Einspruch, mit der Begründung, diese Punkte seien bereits bei seiner Befragung des Zeugen zur Sprache gekommen. Ich führte an, ich sei an einer umfassenderen Erklärung für Torrances Haftaufenthalt interessiert, und Richter Companioni gab mir Recht. Er forderte Torrance auf, die Frage zu beantworten.
»Wie schon gesagt, ich bin wegen Körperverletzung und Raub angeklagt.«
»Und zu diesen mutmaßlichen Straftaten kam es während der Unruhen, ist das zutreffend?«
Angesichts des polizeifeindlichen Klimas, das bereits vor den Unruhen bei den Minderheiten der Stadt geherrscht hatte, hatte ich bei der
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