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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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hatte ganz hinten gestanden und die Szene mit gespieltem Desinteresse beobachtet. Schon damals hatte er begriffen, wie entscheidend gute Planung ist.

    Drei Tage später, als Colins kurzlebige Attraktivität schon verflogen war und die anderen Kinder sich wieder ihren üblichen Spielen zugewandt hatten, streifte er Colin wie zufällig auf dem Pausenhof, und als er weiterging, befand sich der Beutel mit den Murmeln plötzlich in seiner Tasche.
    Er behielt seine Neuerwerbung für sich und wartete stets, bis er ungestört in seinem Zimmer war, ehe er die Murmeln hervorholte und sich an ihrem Anblick weidete. Nur hier konnte er sie befühlen, ohne befürchten zu müssen, dabei überrascht zu werden.
    Er wusste natürlich, dass er etwas Unrechtes getan hatte und Verschwiegenheit deshalb die beste Strategie war. Doch was ihm erst später klar wurde, als er ein paar Jahre älter war, das war, dass er schon damals nichts von dem empfunden hatte, was man in solchen Situationen angeblich zu empfinden hatte – nichts von dem, was andere Menschen »Schuldgefühle« nannten. Nicht die leiseste Spur.

3
    Der zehn Jahre alte Aberlour stand ungeöffnet auf Ronnie Babcocks Küchentisch, noch komplett mit roter Geschenkschleife. Er betrachtete die Flasche mit säuerlicher Miene, während er die Post von heute auf den schon bedenklich schiefen Stapel neben der Flasche legte. Dann warf er seinen Mantel über einen Stuhl, auf dem sich ungelesene Zeitungen türmten.
    Der Whisky war ein Geschenk von seinem Chef, Superintendent Fogarty, und wenn man sich bei Fogarty auf eines verlassen konnte, dann war es sein sicheres Gespür für das passende Niveau von Geschenken. Kein billiger Blended Whisky – das hätte so ausgesehen, als ob er die Leistungen seines Teams nicht zu schätzen wüsste. Aber die paar Pfund mehr für einen zwölf Jahre alten Aberlour waren ihm dann doch wieder zu schade. Warum mehr ausgeben als unbedingt nötig?, hätte er gesagt. Ein Diplomat durch und durch, dieser Fogarty – kein Wunder, dass er es bei der Kripo so weit gebracht hatte.
    Nicht, dass Fogarty ein schlechter Polizist gewesen wäre, sosehr es Babcock auch manchmal gegen den Strich ging, das zugeben zu müssen. Er war lediglich ein noch besserer Politiker, und das war nun einmal eine unabdingbare Voraussetzung erfolgreicher Polizeiarbeit in diesen Zeiten. Fogarty spielte regelmäßig Golf mit den richtigen Lokalgrößen; er wohnte in einem frei stehenden Bungalow in der exklusivsten Ortsrand-Wohnlage von Crewe; und seine leider mit Hasenzähnen geschlagene Gattin war häufig auf den Hochglanzseiten von
Cheshire Life zu sehen. Das Leben, das die Fogartys führten, war auch Peggy Babcocks Ideal gewesen, und sie hatte Ronnie oft genug ins Gesicht gesagt, wie dumm es von ihm sei, ihnen nicht nachzueifern.
    Babcock hatte dafür immer nur Spott übrig gehabt – und das hatte er jetzt davon. Da saß er nun allein in einer Doppelhaushälfte in der Crewe Road außerhalb von Nantwich, in einem Haus, das er gehasst hatte von dem Moment an, als der Immobilienmakler es ihnen gezeigt hatte. Und Peggy, die darauf bestanden hatte, dass sie es kauften, hatte ihre Koffer gepackt und war gegangen, schnurstracks in die Arme – und in die Wohnung – ebenjenes Immobilienmaklers.
    Ein Frösteln durchfuhr ihn, als die Kälte durch den dünnen Stoff seines Jacketts drang. Der Kessel der Zentralheizung hatte schon seit ein paar Tagen Zicken gemacht, aber er hatte weder die Zeit noch die Energie aufgebracht, danach zu sehen, und heute Abend schien das Teil endgültig den Geist aufgegeben zu haben. Jetzt noch einen Heizungsmonteur zu kriegen, war ein Ding der Unmöglichkeit; er konnte sich also auf ein langes, kaltes Weihnachten gefasst machen.
    Babcock zog seinen Mantel wieder über und riss die Schleife von der Flasche Aberlour, doch bevor er das Siegel aufbrach, hielt er inne. Die Frage war, ob er seinem Elend jetzt gleich ein Ende bereitete und dafür den Kater am Weihnachtsmorgen in Kauf nahm, wenn er seiner alten Tante einen Höflichkeitsbesuch abstatten musste, oder ob er sich noch beherrschte, bis er sich seiner einen sozialen Verpflichtung entledigt hatte, worauf er dann so tief in den Sumpf alkoholgeförderten Selbstmitleids versinken könnte, wie es ihm beliebte.
    Im Kühlschrank waren vermutlich noch ein paar Dosen Bier, wenn auch sonst nicht viel – er könnte sich ein Sandwich machen und das Bier trinken, während er sich den Weihnachtsschrott
in Fernsehen reinzog.

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