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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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sechs Kanalboote, die unterhalb der Brücke festgemacht hatten, schien ein einladendes Licht, und Rauch kringelte sich aus dem Schornstein. Vielleicht wohnten die Besitzer das ganze Jahr über auf dem Boot und trafen gerade Vorbereitungen für einen gemütlichen Heiligabend auf dem Wasser.
    »Einen gemütlichen Heiligabend«, wiederholte sie laut und lachte bitter. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie an ihre Kinder dachte – Sam, noch mit der unverfälschten, unschuldigen Begeisterung eines Zehnjährigen, und Lally, die sich Mühe gab, den coolen, unbeteiligten Teenager zu spielen und sich die Vorfreude auf das Fest nicht anmerken zu lassen. Sie waren bei Juliets Eltern, wo sie darauf warteten, ihren Cousin kennenzulernen, den verlorenen und jüngst wiedergefundenen Sohn von Juliets Bruder Duncan.
    Ihre Cousins , sollte sie wohl sagen, denn ihr fiel ein, dass die Frau, mit der ihr Bruder zusammenlebte, ja auch einen kleinen Sohn hatte. Wieso hatten die beiden eigentlich nicht geheiratet?, fragte sie sich. Hatten sie entdeckt, dass das Geheimnis einer guten Beziehung darin bestand, die Zuneigung des anderen nicht als selbstverständlich hinzunehmen? Oder waren
sie einfach nur vorsichtig, weil sie auf keinen Fall einen Fehler machen wollten, der ihnen vielleicht für viele Jahre das Leben zur Hölle machen würde? Da könnte sie ihnen den einen oder anderen Tipp geben, wenn sie denn auf ihren Rat hören wollten.
    Und dann fiel ihr mit einem Anflug von Schuldbewusstsein ein, dass sie schließlich das Unglück nicht für sich allein gepachtet hatte. Die beiden hatten ihr Kind verloren, ziemlich genau vor einem Jahr; ein Baby, das nur ein paar Wochen zu früh zur Welt gekommen war, um lebensfähig zu sein. Die Schamröte schoss ihr ins Gesicht, als sie daran dachte, dass sie es nicht fertiggebracht hatte, anzurufen oder wenigstens ein paar Zeilen zu schreiben. Sie hatte es vorgehabt, aber irgendwie hatte sie nie die richtigen Worte finden können – die richtigen Worte, um die Kluft zu überbrücken, die sich zwischen ihr und ihrem einst so geliebten und bewunderten älteren Bruder aufgetan hatte.
    Und bald würden sie hier sein, noch heute Abend. Die ganze Familie würde zum festlichen Heiligabend-Dinner zu ihr kommen, bevor man geschlossen zur Mitternachtsmesse in St. Mary’s ging. Und sie würde die Komödie mit dem Titel »Glückliche Familien« mitspielen müssen.
    Caspar würde sich zu benehmen wissen, da war sie sich sicher. Er würde der perfekte Gastgeber sein, und niemand würde erraten, dass ihr Mann sie erst an diesem Nachmittag beschuldigt hatte, ihn mit seinem Partner Piers Dutton zu betrügen.
    Wieder wallte Wut in ihr auf, und sie trieb die Spitzhacke mit aller Macht in den bröckelnden Mörtel. Sie musste nach Hause, musste sich der ganzen Bande stellen, aber zuerst würde sie diese Arbeit zu Ende bringen; eine Leistung, die ganz und gar ihre eigene war, weitab von allen Lügen und Intrigen. Sie würde im Rhythmus der Schläge atmen und an einfache
Dinge denken: einen Durchbruch von dem ehemaligen Viehstall zu einem Anbau, der früher als Futterspeicher gedient hatte. Die Geschichte des alten Stalls erstreckte sich vor ihrem inneren Auge wie ein Band: die Generationen von Landarbeitern, die an kalten Wintermorgen hier Unterschlupf gesucht hatten, die an Abenden wie diesem hier zusammengehockt hatten.
    Einer von ihnen hatte hier irgendwann, so vermutete sie, eine Futterkrippe zugemörtelt, von der jetzt nur noch ein glatter grauer Streifen zeugte, der die Einförmigkeit der roten Ziegelmauern durchbrach. Der Mann hatte gut und sauber gearbeitet, und irgendwie widerstrebte es ihr, sein Werk zu zerstören. Aber die neuen Eigentümer wollten nun mal eine Tür von dem Raum, der ihr Wohnzimmer mit Küchenecke werden sollte, zum hinteren Teil des Hauses, und sie würden ihre Tür bekommen.
    Als das Loch groß genug war, um es mit dem Pickel aufhebeln zu können, setzte sie die Spitze in den Mörtel und zog. Ein Brocken löste sich, blieb aber hängen – an einem Stück Stoff, wie es schien. Seltsam, dachte Juliet und sah sich die Sache genauer an. Mit der hereinbrechenden Dämmerung war es im Stall schon ziemlich düster geworden. Sie zog die Spitze des Pickels heraus, knipste ihre Arbeitslampe an und richtete sie auf die Wand. Dann befühlte sie das Material mit den Fingern. Tatsächlich, es war Stoff – rosa, wie sie zu erkennen glaubte.
    Sie setzte die Spitzhacke erneut an und zog vorsichtig, bis

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