So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)
Frisuren und gewieften, flinken Gesichtern. Andere sind älter, hatten einen ordentlichen Beruf, waren sogar Manager, tragen gelegentlich Anzug und Krawatte. Für diese urbanen Besucher ist dein Wohnsitz eher eine Enttäuschung, doch ihre Bedenken legen sich für gewöhnlich im Gespräch, wenn klar wird, dass du ein Mann bist, der kenntnisreich spricht und auch großzügig zuhört, obwohl du ein wenig schwerhörig bist. Sie wollen unbedingt dein Netzwerk aus Geschäfts- und Regierungskontakten anzapfen, eine immer weniger ergiebige Ader, in der du dennoch gern für sie schürfst, und es geschieht auch gar nicht selten, dass du mit einem Unterstützungsnugget aufwarten kannst.
Für deine Beiträge nimmst du keinen finanziellen Lohn an, kein Vermittlungshonorar, keinen Empfehlungsbonus, ebenso wenig bist du auf die Dankbarkeit aus, die man dir bekundet. Deine Motivation hat andere Gründe, den anhaltenden Wunsch nach Kontakten und dich nützlich zu machen, das Bedürfnis, von den langen Stunden der Woche ein paar auszufüllen, und die Neugier auf die Außenwelt, auf das Kommen und Gehen und Hin und Her dieser großen Stadt vor deinem Hotel, in der du fast dein ganzes Leben verbracht und über die du einmal so viel gewusst hast.
Du hörst Berichte, dass der Grundwasserspiegel weiterhin fällt, dass der Durst vieler Millionen Bohrer um Stahlbohrer immer tiefer in den Aquifer treibt, damit zahllose leckende Röhren und undichte Kanäle gefüllt werden, Phänomene, die dir sehr vertraut sind und von denen du profitiert hast, die aber an manchen Stellen zu einer merklichen Austrocknung des Bodens führen, zu einer Umwandlung feuchten, fruchtbaren, hybriden Erdreichs in rissiges, ausgedörrtes, reines Land. Derweil sind offenbar ähnliche Versuche im Gang, von offizieller wie nicht offizieller Seite, die Gesellschaft selbst auszutrocknen, unter anderem mittels schleichender Beschränkungen bei Festivals und dem öffentlichen Streben nach Spaß, mit ähnlichen Ergebnissen, Rissen, jenen breiter werdenden Klüften zwischen jungen Leuten, die dir so zerteilt wie nie zuvor erscheinen, die aufgespalten sind in Myriaden unbegreiflicher Stämme, die ihre Zugehörigkeit mit einem Autoaufkleber, einer nackten Schulter oder einer obskuren Spielart der Möglichkeiten bei der Gesichtsbehaarung signalisieren.
Häufig weißt du nicht, wenn du dich für deine Besorgungen auf die Straße wagst, wer von ihnen wofür steht. Ebenso unklar ist dir, ob sie hinter den Posen, die sie einnehmen, überhaupt wissen, wofür sie stehen, nicht mehr als du selbst es in ihrem Alter wusstest. Allerdings spürst du, und es ist unverkennbar, ein Anwachsen von Frustration, Wut und Gewalt, teils wegen der größeren Vertrautheit der Armen mit den Reichen heutzutage, indem sie die Gesichter an das saubere Fenster des Wohlstands pressen, den das allgegenwärtige Fernsehen zeigt, teils auch wegen des Mentalitätswandels, der sich aus dem Ansteigen der Beschaffungskurve für Schusswaffen ergibt. Wenn du manchmal die Blicke beobachtest, die einem Luxus-SUV folgen, der sich rücksichtslos durch eine schmale Straße schiebt, bist du beinahe erleichtert, dass du dein Vermögen schon los bist.
Auch wenn ich, während ich schreibe, nicht sicher sein kann, ob du überhaupt eine Ahnung hast, wie nahe du dem hübschen Mädchen bist, leuchtet es doch ein, dass es so ist. Sie wohnt auf geradem Wege ungefähr eine halbe Stunde von deinem Hotel entfernt, aber da ein gerader Weg in der Stadt eher krumm und mit vielen Umwegen verbunden ist, könnte sie auch näher sein oder viel weiter weg. Sie besitzt ein kleines Stadthaus, dessen zwei Gästezimmer sie unter Marktwert an zwei Frauen vermietet, die eine Sängerin, die andere Schauspielerin, beide am Anfang ihrer Karriere und beide noch ohne große Erfolge. Mit ihren Ersparnissen und diesen Mieteinnahmen kommt das hübsche Mädchen zurecht.
Vielleicht wegen eines hartnäckigen Zwickens in der Hüfte geht sie weniger aus als früher. Die meisten Hausarbeiten überlässt sie ihrem Faktotum, einem winzigen Mann mittleren Alters, der kocht, fährt, einkauft und ein Dienstbotenzimmer neben der Küche bewohnt. Immerhin dreht sie ihre tägliche Runde durch ihren Lieblingspark, sie geht langsam, aber aufrecht, im Sommer und Herbst abends, im Winter und Frühling morgens, und besonders gern beobachtet sie die jungen Liebespaare, die sich dort zu hastigen, verstohlenen Treffen einfinden, bevor sie in den Unterricht oder zur Arbeit
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