Söhne der Erde 13 - Der Tod Am Meer
die »Terra« sicher würde landen können.
Vorsichtig lenkte Charru das Beiboot nach unten.
Das zweite Fahrzeug folgte, setzte in wenigen Metern Entfernung auf. Es war einfach, die Boote zu landen: man brauchte sie nur in einem bestimmten Abstand vom Boden auszubalancieren, während die Automatik das Ausfahren der Stützen und das Abschalten der Triebwerke besorgte. Unter der Kuppel der zweiten Fähre konnte Charru Erein von Tareths roten Schopf sehen und das schlohweiße Haar Gerinths, des Ältesten. Beide Boote setzten sicher auf. Das Heulen der Triebwerke verstummte, und sekundenlang wirkte die Stille schwer und betäubend.
Charru streifte die Gurte ab und legte den Schalter um, der die Luke öffnete.
Lara verharrte einen Moment und sah sich mit großen Augen um. Auf sie, die Venusierin, wirkte dies alles fremder als auf die anderen, obwohl sie es besser verstand. Sie hatte ein festgelegtes, von Computern bestimmtes Leben ohne Höhen und Tiefen gelebt, bevor sie damals in der Zentrale der Staatlichen Zuchtanstalten in den Garrathon-Bergen plötzlich den Barbaren aus der Mondstein-Welt gegenüberstand. Die Terraner dagegen, die aus ihrer Oase der Vergangenheit über einen Abgrund von Jahrtausenden hinweg in die Gegenwart des Mars geschleudert worden waren, hatten sich an die Konfrontation mit dem Unbekannten gewöhnen müssen.
Charru landete federnd auf dem harten Beton. Karstein half Lara hinaus, hinter ihm kamen Kormak und Hunon, der breitschultrige, schweigsame Riese von den alten Marsstämmen. Auch die Luke des zweiten Bootes hatte sich geöffnet. Gerinth, der weißhaarige Älteste, sog tief die warme Luft ein. Charru lächelte, als er sah, wie sein Bruder den Arm um Schaolis Schultern legte. Auch der rotschöpfige Erein von Tareth stand an der Seite eines Mädchens: Shaara mit dem schmalen, ernsten Gesicht und dem dunklen Haar würde seine Frau werden, sobald sie alle irgendwo zur Ruhe kamen und Zeit blieb, die Zeremonie zu feiern. Nicht nur für Erein und Shaara. Auch für Charru und Lara, für Hardan und Gudrit - und vielleicht, wenn die Zeit reif war, für Jarlon und Schaoli.
Der drahtige, kraushaarige Brass blieb einen Augenblick in der offenen Luke stehen, bevor er ebenfalls auf den Betonboden sprang.
Die Luft war warm, erfüllt von dem Geruch nach Staub und heißem Metall. Einem fremden Geruch, ungewohnt für die Terraner, die nie in Städten gelebt hatten. Charru betrachtete die hallenartigen Gebäude, die fast unversehrt schienen. Die Menschen damals hatten für die Ewigkeit gebaut - mit technischen Mitteln, die sie nicht zu beherrschen vermochten. Alles Leben auf der Erde war zerstört worden. Ein Jahrtausend hatte vergehen müssen, bis wieder ein Grashalm wuchs, und zwei Jahrtausende, bis sich wieder intelligentes Leben regte. Aber die Ruinen hatten die Vernichtung überdauert. Die Zeit fraß den härtesten Stahl, selbst Steine verwitterten - nur die Kunststoff-Welt der Menschen von damals überzog die Erde immer noch mit klaffenden Narben.
Charru zog die Schultern zusammen.
Der Platz gefiel ihm nicht. Er wußte, daß sie keine große Wahl mehr hatten, daß die »Terra« landen mußte, bevor die marsianische Kriegsflotte die Erde erreichen konnte. Doch er glaubte, etwas unmerklich Drohendes in der Atmosphäre zu spüren, etwas, das dem menschlichen Leben feindlich war.
Einbildung, dachte er.
Conal Nords Warnung saß zu tief, diese letzten Worte vor dem Start: Zwei Drittel der Erde sind die reine Hölle ... Der Venusier sagte die Wahrheit. Er war innerlich auf der Seite der Terraner gewesen, lange bevor seine Tochter sich ihnen anschloß. Aber er wußte nicht alles, er kannte nur die Ergebnisse, die marsianische Forschungsexpeditionen von der Erde mitgebracht hatten. Charru schüttelte den Gedanken ab und beobachtete, wie Schaoli ein paar Schritte von dem Beiboot weg machte und sich mit weiten, erstaunten Augen umsah.
Sie kannte die Vergangenheit der Erde nicht, auch nicht die toten Städte und das Vermächtnis aus gefährlicher Strahlung, mtierten Viren und ähnlichem. Sie hatte mit ihrem Volk in einer kargen Landschaft am Meer gelebt - einem jungen, freien Volk, das sich gegen die Nachwirkungen der Katastrophe und den Einfluß der Marsianer gleichermaßen behauptete. Schaoli fürchtete die fremde Umgebung nicht. Sie hatte nie Grund gehabt, kein Vertrauen in ihre Umwelt zu setzen, und Charru spürte, daß sie wehrloser und bedrohter war als die anderen.
Später wußte er nicht mehr
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