Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt
Maschinen ...
Wenn, wenn, wenn!
Charru glaubte nicht an solche Zufälle. Mit einer heftigen Bewegung wandte er sich ab, um noch einmal in den Ausguck hinaufzuklettern, und dabei stieß er fast mit dem kleinen Robin zusammen, der still und wie versunken am Schanzkleid stand.
»Charru?«
»Ja, Robin.«
Charru legte dem Blinden die Hand auf die Schulter und bemühte sich, keine Ungeduld zu zeigen. Der Junge zitterte. Aber das war schließlich kein Wunder: die kritische Lage konnte ihm trotz seiner Blindheit nicht entgangen sein, und Furcht und Spannung fühlte er deutlicher als jeder andere.
»Wohin segeln wir?« fragte er tonlos. »Wie sieht diese Insel aus?«
Charru zögerte. Robins Stimme klang drängend, und ein Ausdruck schmerzhafter Konzentration lag auf dem schmalen Gesicht.
»Eine ganz normale Insel mit Palmen, Strand und Riffen. Du weißt doch, daß wir für eine Weile an Land gehen müssen.«
»Ja ... Aber warum dort?« Robin tastete nach Charrus Hand, und die schmalen Finger umklammerten heftig sein Gelenk. »Da ist etwas! Etwas Fremdes, Gefährliches! Ich spüre es!«
»Die Flugzeuge sind gefährlich, Robin, nicht die Insel. Mach dir keine Sorgen. Wir schaffen es schon.«
»Aber ...«
Der Junge verstummte und senkte den Kopf.
Charru strich ihm beruhigend über das helle Haar. Robin war wehrlos in seiner dunklen Welt, war verletzlicher als die anderen Kinder, weil er die Stimmung der Erwachsenen deutlicher spürte, sich nie täuschen ließ, jede Gefahr instinktiv erfaßte und ihr dabei nicht einmal ins Gesicht sehen konnte. Charru suchte nach Worten, wollte noch etwas Tröstliches sagen, aber er kam nicht mehr dazu.
Das Geräusch, das er hörte, war leise und fern, doch es schien sich wie ein glühendes Messer in sein Gehirn zu bohren.
Triebwerke!
Flugzeuge!
Sie kamen zurück. Und wenn nicht ein Wunder geschah, würden die Piloten das Schiff entdecken, lange bevor es die Insel erreichte.
*
Ciran spürte das leise Vibrieren des Steuerelements unter seinen Händen.
Wie riesige silberne Schatten sah er die beiden anderen Maschinen neben sich. Der Himmel war wolkenlos, die Sonne strahlte trotz Filter fast schmerzhaft grell in die Kanzel. Tiefblau dehnte sich das Meer, von einem eigentümlich opalisierenden Schleier überzogen ...
Das Schiff!
Ein dunkler Punkt in der See. Andere Punkte, grün und verschwimmend: Inseln. Ciran blinzelte und musterte mit gerunzelter Stirn die Sichtscheibe, die Licht und Farben plötzlich auf seltsame Weise zu brechen schien. Der Blick des Jungen sog sich an dem Schiff fest, dieser Nußschale in der Weite. Mit der Rechten schlug er auf die Taste des Funkgerätes und runzelte abermals die Stirn.
»Chan?« rief er. Und nach einer Pause: »Croi! Croi!«
Nichts rührte sich.
Grüne Kontrolleuchten zeigten an, daß das Gerät ordnungsgemäß arbeitete, doch aus dem Lautsprecher drang nicht einmal das übliche Rauschen und Knacken einer Störung. Tot, dachte Ciran. Ein harmloser Defekt, versuchte er sich einzureden. Aber seine Handflächen wurden feucht, und als er wieder zu dem Schiff hinuntersah, wußte er selbst nicht, warum sich die ungewisse Beklemmung wie ein eiserner Ring um seine Brust zu legen schien.
Die Luft flimmerte.
Opalisierende Schleier ... Hartes Leuchten wie im Inneren eines gigantisches Kristalls, dessen Struktur das Sonnenlicht ablenkte ... Ciran schwitzte. Angst packte ihn, ohne daß er zu sagen gewußt hätte, wovor. Seine Augen hafteten an dem Schiff, der einzigen Realität in einer verschwimmenden Vision. Einer Vision, die in diesem Augenblick den Eindruck in ihm weckte, als krümme und verschiebe sich ein unsichtbares, substanzloses Medium um ihn, das alle Perspektiven verzerrte ...
Instinktiv umkrallte Ciran das Höhensteuer und zog das Flugzeug steil hoch.
Die Vision verblaßte.
Es ist nichts, dachte der Junge. Nichts, nichts, nichts!
Erstaunt bemerkte er, daß auch seine Brüder ihre Maschinen höher gezogen hatten. Das Funkgerät war immer noch tot. Aber tief unten bewegte sich das Schiff über das blaue, im Sonnenlicht wie Metall glänzende Wasser, und Cirans Augen begannen triumphierend zu funkeln.
*
Fische wimmelten in der Lagune der Insel.
Ein Vogel flatterte mit trägem Flügelschlag auf, segelte durch die flimmernde Luft, erhob sich gleichgültig über dem verschwimmenden, sich verzerrenden Eiland. Hitzegeflimmer ... Kristallene Schleier ...Das instinktive tierische Leben vollzog sich auf der Ebene der Zeitlosigkeit, glitt
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