Söhne der Erde 22 - Flug der Verlorenen
Vater heftig. »Weil ich weiß, was geschehen wird! Du hast überhaupt nichts begriffen, Lara. Nach allem, was auf Merkur geschehen ist, wird Jessardin keine Kompromisse mehr machen. Von seinem Standpunkt aus darf er nicht dulden, daß Charru und die anderen auf der Venus in Sicherheit sind.«
»Er kann dich nicht zwingen, sie auszuliefern! Er ...«
»Stimmt! Aber er kann das Schiff abschießen lassen, bevor es auch nur in die Nähe der Venus kommt. «
Die Worte fielen in tiefe, atemlose Stille.
Lara starrte ihren Vater an. Sie wußte, daß er recht hatte. Sie begriff es so schnell, so grausam deutlich, daß sie nicht mehr verstand, wieso sie diese Gefahr nicht von Anfang an gesehen hatte.
Ein Funkspruch zur Pol-Basis genügte.
Die »Kadnos X« war ein ziviles Linienschiff, war nur leicht bewaffnet und jedem Kampfkreuzer unterlegen.
Und die Pol-Basis verfügte über eine ständig einsatzbereite Alarm-Staffel, über Schiffe, die binnen Minuten starten konnten, sobald der Präsident den Befehl gab.
Würde er zögern?
Vielleicht erst den Sicherheitsausschuß einberufen und dadurch Zeit verlieren? Aber das wäre unvernünftig gewesen - und Simon Jessardin handelte niemals unvernünftig.
Lara grub die Zähne in die Unterlippe, als ihr Vater an den Terminal des Informators trat und eine Verbindung schaltete, die jede Nachricht aus dem regierungsinternen Kommunikationsnetz sofort an ihn weiterleitete.
Schweigend starrte der Venusier auf den Bildschirm. Lara stand neben ihm und versuchte, das Zittern zu unterdrücken, das sie zu überwältigen drohte. Satzfetzen erschienen auf dem Monitor, hektische Informationen, die hin- und herwanderten und deutlich verrieten, daß weder Vollzug noch Militär sich so schnell auf die neue Lage einzustellen vermochten. Dann, nur eine halbe Minute später, schaltete sich der Präsident ein, und Lara wußte, daß nicht mehr viel Zeit vergehen würde, bis etwas geschah.
»Kannst du nichts unternehmen?« fragte sie ihren Vater.
»Was denn? Soll ich Jessardin dazu bringen, eine Raumschiff-Entführung zu tolerieren oder...«
Er verstummte abrupt.
Lara stöhnte auf, als sie die Worte entzifferte, die über den Bildschirm flimmerten.
Der Präsident der Vereinigten Planeten hatte die Pol-Basis angewiesen, eine Kampfstaffel starten zu lassen, um die »Kadnos X« zu zerstören.
*
»Heiliger Andromeda-Nebel!«
Dane Farr knirschte verzweifelt mit den Zähnen. Auch die anderen sahen die sechs hellen Punkte auf dem Außenschirm. Eine Kampfstaffel, kein Zweifel. Im Pilotensitz wurde Maik Varesco kreideweiß und hob den Kopf.
»Sie schießen uns ab! Wir haben noch drei, vier Minuten!«
»Sie wissen, daß Sie und Ihre Leute im Schiff sind«, sagte Charru hart.
»Trotzdem! Sie haben nicht mal Funkverbindung aufgenommen! Sie wollen uns einfach abschießen, sie... «
»Er hat recht«, sagte Dane Farr rauh.
Charru starrte ihn an. Er war schon fast sicher gewesen, daß sie es schaffen würden. Verzweifelte Wut ließ ihn den Kopf schütteln.
»Sie können doch nicht einfach... «
»Sie können!« fauchte Farr. »Wir haben keine Chance mehr. Da! Jetzt!«
Die Kampfstaffel hatte aufgeholt.
Ein erster Feuerstrahl zuckte auf die »Kadnos« zu und verfehlte. Charrus Atem stockte, und hinter ihm knirschten Camelo und Gillon verzweifelt mit den Zähnen.
Ausgerechnet Karstein war es, der als erster wieder Worte fand.
»Das gibt's doch nicht!« grollte er verbissen. »Ich denke, das verdammte Schiff hier ist schneller als Licht! Warum können wir ihnen nicht entwischen, verdammt? Warum... «
»Der Überlicht-Antrieb!« flüsterte Dane Farr.
Charru begriff nicht sofort.
Der marsianische Pilot riß den Kopf herum. Er zitterte am ganzen Körper.
»Das geht nicht!« krächzte er. »Wir haben doch keinerlei Erfahrung mit Überlicht-Flügen! Der Computer speichert lediglich die Koordinaten von Uranus und Saturn. Wir würden nirgendwo ankommen, wir... «
»Aber wir würden leben«, sagte Dane Farr durch die Zähne.
»Wahnsinn! Ihr seid wahnsinnig! Das tue ich nicht, das...«
Der zweite grellrote Feuerstrahl zuckte auf die »Kadnos« zu.
Charru biß die Zähne zusammen. »Dane! Glaubst du wirklich, daß wir eine Chance haben?«
»Nein!« knurrte der hagere Militär-Experte. »Aber wenn ich ohnehin nur die Wahl habe, jetzt sofort oder etwas später zu sterben, sterbe ich lieber etwas später.«
Mit zusammengebissenen Zähnen beugte er sich über eine Instrumenten-Einheit.
Zwei Sekunden
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