Söhne der Erde 22 - Flug der Verlorenen
handelt, die als gefährlich anzusehen ist«, fuhr der Richter fort. »So weit auf lebenslängliche Strafen erkannt wurde, wird daher die Deportation nicht zum Uranus angeordnet, sondern zu einem in Zusammenarbeit mit der Verwaltung noch näher zu bestimmenden Ort, vorzugsweise auf einem der Jupiter- oder Saturn-Monde...«
Lara biß sich auf die Lippen. Ein Internierungslager für neun Männer... Sie würden nicht einmal ihre Freunde wiedersehen.
»Zu lebenslänglicher Deportation verurteilt wurden folgende Angeklagten... «
Sieben Namen. Dane Farr, Ken Jarel und Raul Madsen, Camelo von Landre, Gillon von Tareth, Gerinth und Kaistein. Der Richter straffte sich.
»Bei dem Angeklagten Nord war die führende Rolle zu berücksichtigen, die er spielte und die an sich hätte strafverschärfend wirken müssen. Milderungsgründe sieht das Gericht lediglich in der langen Haftzeit auf Luna, die möglicherweise psychische Schäden verursacht hat. Der Angeklagte ist in eine psychiatrische Klinik einzuweisen. «
Mark zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen.
Er wollte etwas sagen, aber sein Bruder legte ihm beschwörend die Hand auf den Arm. Der Richter schien den Zwischenfall nicht zu bemerken.
»Im Fall des Angeklagten Charru von Mornag konnte sich das Gericht den wissenschaftlichen Gutachten nicht verschließen, die gerade in ihm eine besondere Gefahr sehen. Seine eigenen Einlassungen lassen daran ebenfalls keinen Zweifel. Milderungsgründe sind nach Auffassung des Gerichts nicht gegeben. Der Angeklagte wird zum Tode in der Liquidations-Zentrale verurteilt.«
Vor Laras Augen verschwamm die Umgebung.
Verzweifelt kämpfte sie gegen die Tränen, preßte die Faust vor den Mund und biß sich auf die Knöchel, bis sie Blut schmeckte.
*
Marks einzige Reaktion bestand aus der tonlosen Feststellung: »Ich gehe nicht in eine psychiatrische Klinik.«
Er meinte es ernst. Conal Nord wußte es, und er wußte auch, daß sein Bruder einen Weg finden würde. Bürger, die Selbstmordabsichten hegten, hatten ganz offiziell die Möglichkeit dazu, weil sie ihre Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit auch als Organspender erfüllen konnten.
Die anderen Verurteilten wurden rasch in die Klinik zurückgebracht - unter doppelter Bewachung, weil die Vollzugsbeamten Zorn und Empörung ihrer Gefangenen spürten.
Charru, ebenfalls von zwei Uniformierten bewacht, folgte Conal Nord in das Besprechungszimmer. Der Venusier strich sich mit einer müden Bewegung das Haar aus der Stirn.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, murmelte er. »Sie werden ein Gnadengesuch einreichen und... «
»Nein«, sagte Charru.
Nord sah ihn an. »Das ist doch verrückt, das...«
»Würde Mark ein Gnadengesuch unterschreiben? Er wollte keine Gnade, sondern sein Recht. Ich denke genauso.«
»Mark wußte verdammt genau, daß man ihn nicht zum Tode verurteilen würde. Er wird am Leben bleiben, also... «
»Das glaube ich nicht. Er wird nicht in eine psychiatrische Klinik gehen, das hat er gesagt. Und ich werde kein Gnadengesuch unterschreiben. «
Conal Nord schloß sekundenlang die Augen.
»Seien Sie vernünftig, Charru«, sagte er eindringlich. »Über Marks Fall ist noch nicht das letzte Wort gesprochen, weil ich eine vom Gericht lediglich vermutete psychische Schädigung durch die Haft auf Luna juristisch anfechten kann. Aber ein Todesurteil wird innerhalb weniger Tage vollstreckt. Ich bin fast sicher, daß Jessardin ein Gnadengesuch befürworten würde und... «
»Trotzdem! Ich kann es einfach nicht.«
»Auch nicht, wenn ich Sie bitte, es für Lara zu tun?«
Langsam schüttelte Charru den Kopf. »Auch dann nicht. Sie wird es verstehen.« Und nach einem kurzen Schweigen: »Werde ich Sie noch einmal sehen können?«
»Ich sorge dafür. Und - lassen Sie sich die Sache mit dem Gnadengesuch bitte noch einmal durch den Kopf gehen.«
Charru nickte.
Aber der Venusier ahnte bereits, daß nichts den Entschluß des Barbaren ändern würde.
*
Sie trafen sich vierundzwanzig Stunden später, in dem gleichen Raum wie beim erstenmal.
Da das marsianische Hochgericht keine Revision kannte, war Conal Nord nichts mehr zu tun geblieben außer dem Versuch, den Verurteilten die wenigen juristisch möglichen Vergünstigungen zu verschaffen. Er hatte erreicht, daß sie am Vorabend wenigstens für eine Stunde in einem Raum ohne Videoaugen und Abhörvorrichtungen miteinander reden durften. Das erste Gespräch nach den Tagen, in denen sie allenfalls im Gerichtssaal oder
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