Soehne des Lichts
aus ganz Enra wurden in die Stadt geholt, um Adel wie Volk beschäftigt zu halten. Niemand sollte zu sehr darüber nachdenken, ob der König vielleicht besser von seinem Leid erlöst werden sollte. Inani wusste, Darudo gab seine letzte Kraft, um das Königreich geordnet zu verlassen. Ein sinnloser Aufwand, denn Ilat war zu instabil, zu unberechenbar, um Roen Orm führen zu können. Jeder wusste das. Was es für die Zukunft bedeuten würde, ahnten nur die wenigsten in voller Konsequenz, und so tanzte die Stadt, taumelte auf der Suche nach Ablenkung und Freude wie ein Schmetterling dahin. Überall heirateten die Menschen, die Straßen waren erfüllt von Schwangeren, die nicht wie sonst üblich in den Häusern versteckt wurden, sondern ihre prallen Leiber stolz vorzeigten. Jeden Tag schienen die Röcke der jungen Mädchen kürzer zu werden, das Lachen der Männer lauter, die Blicke der Alten hoffnungsloser. Lebensdurst und Leidenschaft summte zwischen den Häuserwänden, Verbrechen jeder Art geschahen vor den Nasen der Stadtwachen. Tag wie Nacht waren Todesschreie zu vernehmen, vermischt mit lustvollem Stöhnen von Liebenden. Roen Orm war schon immer eine Stadt gewesen, in der selbst die Felsen, in die man sie hinein geschlagen hatte, vor Leben zu pulsieren schienen. Das Herz der Welt. Dieses Herz schlug nun wie rasend vor Angst.
Inani seufzte. Graf Orel hatte unmissverständlich klar gemacht, dass er heute Abend ihre Gunst verlangen würde. Wenn sie nicht wenigstens zwei Tänze für ihn reservierte, würde er ihr Probleme bereiten. Leider war er in der Position, um ihr Leben am Hof in einen Alptraum zu verwandeln, denn er hatte es geschafft, ein gerne gesehener Gast an Kronprinz Ilats Seite zu werden.
Da auch verschiedene andere Adlige um Inanis Gunst buhlten, würde sie heute wohl ununterbrochen tanzen müssen, um alle zufrieden zu stellen.
Sicherlich würde Graf Orel heute Nacht mit Tänzen nicht zufrieden sein. Inani versuchte sich zu entscheiden, ob sie solch ein Opfer auf sich nehmen wollte.
Nichts da. Nicht mit diesem Widerling!
Sie hatte schon mit einigen Höflingen das Bett geteilt, niemand blieb am Königshof lange jungfräulich, wenn er im Spiel der Macht vorankommen wollte. Inani empfand wenig Interesse oder Vergnügen dabei. Nur ihr allererster Gefährte hatte es überhaupt geschafft, ein wenig Leidenschaft in ihr zu wecken, aber er war ihr durch die Magie des Mittsommerfestes gewiesen worden. Alle Hexen, die als mündig galten, durften in jener besonderen Nacht ein Ritual wirken, das sie direkt in die Arme eines passenden Gefährten führte. Inani erinnerte sich gerne an den Jungen … Ein Hirte, vielleicht zwei Jahre älter als sie. Er hatte ihr nicht einmal seinen Namen genannt, bis zum Schluss hatte er geglaubt, er würde träumen. Seine schwieligen Hände waren mit solcher Andacht über ihren mädchenhaften Körper gewandert, sie hatte sich in seinen Armen wie eine Prinzessin fühlen dürfen. Seine Küsse waren scheu und süß gewesen, ihre Vereinigung kurz, dafür zärtlich und liebevoll. Inani hatte ihm den größten Teil seiner Erinnerung an diese Nacht verschleiert, dafür Gesundheit und Kraft geschenkt. Manchmal dachte sie daran, nach ihm zu sehen, ob es ihm gut ging, hinderte sich jedoch jedes Mal selbst daran. Es wäre falsch, noch einmal in das Schicksal des jungen Mannes einzugreifen. Er sollte sie für einen Traum halten, nichts sollte ihn hindern, sein Leben ohne sie fortzuführen. Es gab keine Liebe zwischen ihnen, keinen Bund. Er sollte eine Erinnerung bleiben, von einer zärtlichen ersten Begegnung mit Männern.
Ihre weiteren Erfahrungen waren anderer Art gewesen. Leise stöhnend dachte Inani an ihren letzten Bettgefährten, ein schwitzender Fürstensohn, der ihr unerträgliche Albernheiten ins Ohr geflüstert hatte. Manche davon sogar gereimt. Am liebsten hätte sie ihm Warzen an sein bestes Stück gehext, damit er niemals wieder wagen würde, eine Frau im Bett zu langweilen, aber so etwas wäre in Roen Orm tödlicher Leichtsinn. Also hatte sie seine schwammigen Berührungen geduldet und das Liebesgestammel über sich ergehen lassen, um ihn als Fürsprecher zu gewinnen. Ihre Rache war grausam: Sie hatte ihm die Erfüllung beinahe eine Stunde lang vorenthalten. Erst, als er schon weinend um Gnade flehte, und kurz vor einem Herzschlag zu stehen schien, ließ sie ihn kommen. Sie genoss die Macht, die sie über Männer besaß.
Graf Orel würde sie heute allerdings nicht
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