Söldner des Geldes (German Edition)
war. Wie sie mit ihrem strahlenden Lächeln und einem Glas prickelndem Weisswein auf dem alten Holzbalkon gestanden hatten.
Mit einer entschuldigenden Geste hatte er ihr die halb fertige Terrasse in seinem wuchernden Garten gezeigt, in dem ausser wilden Zucchetti und Gurken noch nichts Essbares wuchs. Er konnte sich noch genau an die Energie erinnern, die durch seinen Körper geflossen war, als sie lachend ihre Hand auf seinen Unterarm gelegt hatte. Sie hatte seinen Dschungel «romantisch» gefunden und sich schon auf die frischen Him- und Brombeeren gefreut.
Gemeinsam hatten sie es danach mit abwechselndem Pusten geschafft, im Steingrill ein Feuer zu entfachen. Sie hatte ihn dabei geneckt, und er war vor lauter Sauerstoffmangel beinahe in Ohnmacht gefallen. Als sie endlich die Steaks auf die Glut legten, war Anne russverschmiert gewesen. Unter ihrer Brust zog sich ein schwarzer Abdruck der Grillkante quer über ihr T-Shirt. Sein Küchenhandtuch hatte die Sache nur noch schlimmer gemacht. Seither konnte Winter Annes Bauchnabel nicht mehr vergessen.
Die Erinnerungen an den wunderbaren Abend verbreiteten ein wohliges Gefühl. Die gemächlich gleitenden Gedanken waren ein gutes Zeichen. Die körperliche Arbeit an der Terrasse und das Bad taten ihm gut.
Nach dem Essen waren Anne und er lange sitzen geblieben und hatten die Flasche Rioja ausgetrunken. Es war langsam dunkel geworden, und Winter hatte die Kerzen in den Windlichtern angezündet. Die Grillen hatten gezirpt. Später hatte er Kaffee gekocht und die Quarktorte seiner Lieblingsbäckerei aus dem Kühlschrank geholt.
Anne hatte Winter von ihrem Traum erzählt, auf den Galapagosinseln Echsen zu beobachten. Winter hatte von den Naturparks in Kanada mit den riesigen, unberührten Wäldern geschwärmt. Bis spät in die Nacht hinein hatten sie gelacht und über alles Mögliche geredet.
Nur nicht über die Privatbank. Irgendwann hatten er und seine Stellvertreterin ein stillschweigendes Übereinkommen getroffen, in seinem Haus nicht über ihre Arbeit zu sprechen. Vorgesetzter und Mitarbeiterin. Das war eine feine Linie. Business Lunch in der Pizzeria wurde zweifellos toleriert. Formelles Nachtessen mit Kunden auch. Aber ein intimes Tête-à-Tête war ein Grenzfall. Nach langem Zögern und Ringen hatten seine Gefühle die Vernunft überstimmt.
Langsam hob Winter den Kopf und tauchte auf. Vorsichtig griff er mit der rechten Hand nach dem Bier neben der Badewanne. Die kühle Flasche milderte das Brennen der aufgestochenen Schwielen. Er fragte sich, wie seine geschundenen Hände beim Schiessen seine Zielsicherheit beeinflussten. Glücklicherweise gab es nur noch wenig bewaffnete Banküberfälle. Die Überfälle fanden heute in Hinterzimmern statt. Die Täter trugen statt Masken Nadelstreifen. Statt Löcher in Tresore zu sprengen, knackten sie Computer.
Winter leerte sein Bier in einem Zug, stieg aus der Badewanne und begann sich zu rasieren. Bevor er die Klinge auf die Stoppeln ansetzte, prüfte er sein Gesicht im Spiegel. Die Linien, die sich dort abzuzeichnen begannen, störten ihn nicht. Vielleicht würde Anne ihm heute nicht nur einen wunderbar langen Abschiedskuss geben, sondern die ganze Nacht bleiben.
Er hatte Anne an einem Judo-Wettkampf kennengelernt. Er war in den Viertelfinals ausgeschieden. Anne hatte in ihrer Kategorie gewonnen. Er hatte ihr verschwitzt zum Sieg gratuliert und sie zum Essen eingeladen. Sie hatte abgelehnt, aber als sie auf seiner Visitenkarte gesehen hatte, dass er bei einer Privatbank arbeitete, gefragt: «Stellt ihr auch Juristen ein?»
«Selbstverständlich. Die Verträge versteht sonst keiner, wobei ich nicht sicher bin, was zuerst war: die Juristen oder die Verträge.»
Sie hatte gelächelt, den Kopf ein wenig schräg gelegt und geschwiegen. Da hatte er gewusst, dass sie nicht nur eine gute Judokämpferin war, sondern auch gut im Verhandeln.
«Schick mir deine Unterlagen und ich frage den Chefjuristen.»
Zwei Wochen später hatte es mit der Stelle als Juristin nicht geklappt, dafür mit einem Lunch in einer Brasserie. Damals hatte er Anne das erste Mal in einem ihrer eleganten Hosenanzüge gesehen. Anne hatte, wie er, einmal Jura studiert. Nach dem Studium hatte sie in einer Advokatur gearbeitet, deren Name so lang war, dass Winter ihn sich nicht hatte merken können.
Doch Winter hatte in ihrem Lebenslauf gesehen, dass sie vor ihrem Studium bei der Polizei gewesen war, während zweier Jahre als Streifenpolizistin gearbeitet
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