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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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erschöpften sonnverbrannten Gesicht, und mit sichtlicher Anstrengung jedes einzelne Wort aus sich herauswürgte.
    -    Ich weiß nicht. In gewissem Sinne hängt das von dir ab.
    -    Halluzinationen?
    -    Nein. Das ist - real. Nicht… attackieren. Denk daran.
    -    Was sagst du da?! - äußerte ich, und die Stimme war nicht meine.
    -    Wir sind nicht auf der Erde.
    -    Polytheria? Aber die sind überhaupt nicht menschenähnlich! - rief ich. Ich wußte nicht, was ich tun sollte, um ihn herauszureißen aus diesem Starren auf einen Punkt, wo er eine das Blut in den Adern einfrierende Unsinnigkeit herauszulesen schien.
    -    Deshalb ist es eben so furchtbar - sagte er leise. - Denk daran: nimm dich in acht!
    -    Was ist mit Gibarian geschehen?
    Er antwortete nicht.
    -    Was macht Sartorius?
    -    Komm in einer Stunde.
    Ich wandte mich um und ging. Während ich die Tür öffnete, schaute ich noch einmal zu ihm hin. Er saß, das Gesicht in den Händen, klein, geduckt, in der fleckigen Hose. Erst jetzt bemerkte ich: an den Knöcheln beider Hände hatte er verkrustetes Blut.
    Die Solaristen
    Die Korridorröhre war leer. Ich stand eine Weile vor der geschlossenen Tür und horchte. Die Wände mußten dünn sein, von draußen klang das Wimmern des Windes durch. Auf der Türplatte präsentierte sich ein etwas schräg und schlampig aufgeklebtes rechteckiges Stück Pflaster, und darauf mit Bleistift die Aufschrift: »Mensch«. Ich schaute dieses undeutlich gekritzelte Wort an. Einen Moment lang wollte ich zu Snaut zurückkehren, aber ich sah ein, das war unmöglich.
    Die irre Warnung tönte mir noch in den Ohren. Ich bewegte mich, und die Schultern beugte mir das unerträgliche Gewicht des Raumanzugs. Leise, so als versteckte ich mich unwissentlich vor einem unsichtbaren Beobachter, kehrte ich zurück in den runden Raum mit den fünf Türen. Darauf befanden sich Schilder: Dr. Gibarian, Dr. Snaut, Dr. Sartorius. Auf der vierten war keines. Ich zögerte, dann drückte ich leicht den Griff und öffnete sie langsam. Als sie aufschwenkte, erlebte ich das an Gewißheit grenzende Gefühl, daß dort jemand war. Ich trat ein.
    Niemand war da. Das gleiche vorgewölbte Fenster, nur etwas kleiner, war auf den Ozean gerichtet, der hier - gegen die Sonne - fettig glänzte, so als flösse von den Wellen hinunter gerötetes Öl. Scharlachener Widerschein erfüllte das ganze Zimmer, das einer Schiffskabine ähnlich war. Auf einer Seite standen Bücherregale, zwischen ihnen war ein mit Kardans befestigtes Bett senkrecht an die Wand geschnallt, auf der anderen Seite waren lauter Schränkchen, dazwischen hingen auf Nickelrahmen streifenweise zusammengeklebte Flugaufnahmen und in Metallgriffen Kolben und Reagenzgläser, alle mit Watte zugestopft. Unter dem Fenster waren weiß emaillierte Schachteln in zwei Reihen aufgestellt, so, daß man kaum zwischen ihnen durchkonnte. Bei manchen war der Deckel gelüpft - sie waren angefüllt mit Unmengen von Instrumenten, Plastikschläuchen; in beiden Ecken befanden sich Hähne, ein Rauchabzug, Tiefkühlfächer; das Mikroskop stand auf dem Fußboden, es fand nicht mehr Platz auf dem großen Tisch neben dem Fenster. Als ich mich umwandte, sah ich gleich bei der Eingangstür einen bis zur Decke reichenden, nicht ganz geschlossenen Schrank voll Overalls, Arbeits- und Schutzschürzen, in den Fächern Wäsche, zwischen den Schäften der Strahlenschutzstiefel glitzerten Aluminiumflaschen für die tragbaren Sauerstoffgeräte.
    Zwei Geräte samt den Masken baumelten, ans Geländer des hochgeklappten Bettes angehängt. Überall herrschte das gleiche nur oberflächlich und wie in Eile irgendwie geordnete Chaos. Ich sog prüfend die Luft ein und spürte einen schwachen Hauch von chemischen Reagenzien und eine Spur von einem scharfen Geruch - das war doch nicht etwa Chlor? Instinktiv suchte ich mit den Augen die vergitterten Ventilationsöffnungen in den Winkeln an der Decke. Die Papierstreifen, die an ihre Rahmen geklebt waren, flatterten sanft, zum Zeichen, daß die Kompressoren funktionierten und normale Luftzirkulation in Gang hielten. Ich trug Bücher, Apparate und Instrumente von zwei Stühlen in die Winkel und verstaute das, wie es nur ging, bis rund um das Bett zwischen dem Schrank und den Regalen verhältnismäßig freier Raum entstand. Ich zog den Ständer heran, um den Raumanzug aufzuhängen, nahm die Schieber der Reißverschlüsse zwischen die Finger, ließ aber gleich wieder

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