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Eine Familie für Julianne

Eine Familie für Julianne

Titel: Eine Familie für Julianne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: KAREN TEMPLETON
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1. KAPITEL
    Kevin Vaccaro ließ die Stirn aufs Lenkrad seines Mietwagens sinken. Das Mittagessen, das man während seines Fluges serviert hatte, lag ihm schwer im Magen, und in der sengenden Junisonne wurde es im Auto schnell drückend heiß.
    Noch kannst du umkehren.
    Er hob den Kopf und betrachtete das Haus. Rein äußerlich war er bereit. Er hatte die Reiseklamotten – verwaschene Jeans und ein übergroßes T-Shirt – am Flughafen gegen ein gestreiftes Poloshirt und Kakihosen getauscht, die er sich von seinem Bruder geliehen hatte. Er war gekämmt, rasiert und durchaus präsentabel.
    Doch in seinem Innern sah es ganz anders aus.
    Das Haus wirkte unnahbar und abweisend. Der zweistöckige Bau im spanischen Hacienda-Stil war hellgelb gestrichen und mit weißen Akzenten abgesetzt. Darüber strahlte der Himmel geradezu unwahrscheinlich blau.
    Kevin war erst einmal in dieser wohlhabenden Wohngegend Albuquerques gewesen – als Robyn ihm ihr Elternhaus gezeigt hatte. An jenem Halloweentag hatten sie über zwei Stunden im Auto gesessen und zugesehen, wie Robyns Vater an die verkleideten Kinder Schokoriegel verteilt hatte.
    Die Kinder wurden aus ärmeren Stadtvierteln von ihren Eltern mit dem Auto hergebracht, hatte Robyn erzählt. Kevin erinnerte sich daran, dass er sich damals über den Anflug von Neid in ihrer Stimme gewundert hatte – und das, obwohl er ziemlich zugedröhnt gewesen war und ansonsten oft nicht viel mitbekommen hatte. Jetzt war er zwar absolut nüchtern, aber er fragte sich immer noch, was damals in Robyn vorgegangen war.
    Auf dem Grundstück ließ nichts erkennen, ob Victor Booth überhaupt zu Hause war. Kevin hatte ihn anrufen wollen, aber der Mann stand nicht im Telefonbuch. Obwohl er als „Dr. Vic“ vor einigen Jahren regelmäßig im Frühstücksfernsehen aufgetreten war und sein Foto auf mehreren Selbsthilfebüchern prangte, die sich unglaublich gut verkauften, war es schwer, überhaupt etwas über ihn herauszufinden.
    Kevin atmete tief durch. Er war über dreitausend Kilometer geflogen und wusste nicht mal, ob er hier jemanden antraf. Aber er wollte Robyn unbedingt finden und sich dafür entschuldigen, dass er sie verlassen hatte. Dann konnte er vielleicht endlich mit diesem Kapitel seiner Vergangenheit abschließen und ein neues Leben beginnen.
    Auch wenn er noch gar nicht wusste, wie das aussehen sollte.
    Als die Hitze im Wagen unerträglich wurde, seufzte Kevin einmal tief, stieg aus und ging zum Haus hinüber. Ein Glück, dass es nicht regnet, dachte er selbstironisch, sonst säße ich heute Abend immer noch dort.
    „Was gibt’s denn da draußen so Spannendes zu sehen, Juliekäferchen?“
    Julianne McCabe stand am Wohnzimmerfenster und versuchte, den verhassten Spitznamen zu überhören, der ihrem Vater einfach nicht abzugewöhnen war. Was ihr diesmal leichtfiel, denn der Anblick des großen, schlanken Mannes, der mit federnden Schritten aufs Haus zukam, bot tatsächlich eine Ablenkung.
    „Schau doch selbst“, erwiderte sie, nahm die Brille ab und putzte die Gläser mit dem Saum ihrer ärmellosen Bluse. Doch ihr Vater hatte sowieso schon humpelnd den Raum durchquert und sich neben sie gestellt. Eigentlich hätte er in seinem Arbeitszimmer sein sollen, um zu schreiben. Oder im Liegestuhl, um seinen eingeklemmten Rückennerv zu schonen. Stattdessen ließ er sie kaum aus den Augen, um „für sie da“ zu sein.
    Julianne setzte die Brille wieder auf und verzog das Gesicht, als sich ihre langen Ponyfransen im Metallgestell verfingen. Wann hatte sie das letzte Mal Kontaktlinsen getragen? Oder Make-up? Wie lange war es her, dass sie Energie oder Lust gehabt hatte, sich zurechtzumachen?
    „Wer ist das denn?“, murmelte ihr Vater, als der junge Mann hinter dem blühenden Busch verschwand, der ihnen den Blick zur Haustür versperrte. Zwei Sekunden später klingelte es.
    Julianne spürte ein leichtes Kribbeln und schämte sich dafür. Wie weit war es mit ihr gekommen, dass schon ein Fremder an der Tür für sie angenehme Abwechslung bedeutete?
    „Das werden wir wohl gleich rausfinden“, bemerkte sie trocken.
    „Ich geh’ schon“, erwiderte ihr Vater prompt. „Wahrscheinlich nur ein Vertreter – oder jemand, der unsere Seelen retten will.“
    Dafür ist es wohl schon zu spät, dachte Julianne kopfschüttelnd und schenkte ihrem Vater den liebevoll-geduldigen Blick, der ihr zur zweiten Natur geworden war. Schließlich tat er alles, um sie zu umsorgen und zu beschützen. Da war es ja wohl

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