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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Stellvertreter, ein Kybernetiker. Im solaristischen Almanach hatte er seinerzeit ein paar recht originelle Artikel veröffentlicht. Gesehen hatte ich ihn noch nie. Er trug ein Netzhemd, bei dem die weißen Haare auf der flachen Brust einzeln durch die Maschen hervorschlüpften, und eine einstmals weiß gewesene, auf den Knien fleckige und von Chemikalien verätzte Leinenhose mit zahlreichen Taschen wie bei einem Monteur. In den Händen hielt er eine Plastikbirne, so eine, woraus man auf Raumschiffen ohne künstliche Gravitation trinkt. Er schaute mich an, wie von blendendem Licht geschockt. Die Birne entfiel den gelockerten Fingern und hüpfte ein paarmal nach Art der Luftballons. Ein wenig von einer durchsichtigen Flüssigkeit rann heraus. Langsam wich ihm alles Blut aus dem Gesicht. Ich war zu verblüfft, um etwas zu äußern, und die schweigende Szene dauerte an, bis seine Angst mich irgendwie auf unfaßliche Weise ansteckte. Ich machte einen Schritt. Und er duckte sich im Lehnsessel.
    -    Snaut… - flüsterte ich. Er zuckte, wie unter einem Hieb. Schaute mich mit unbeschreiblichem Abscheu an, krächzte hervor:
    -    Ich kenn dich nicht, ich kenn dich nicht, was willst du…?
    Die ausgeschüttete Flüssigkeit verdunstete schnell. Ich spürte den Geruch von Alkohol. Trank der? War er betrunken? Aber warum fürchtete er sich so? Ich stand immer noch in der Mitte der Kabine. Die Knie hatte ich weich, und die Ohren wie mit Watte verstopft. Den Druck des Fußbodens unter den Sohlen empfand ich als etwas noch nicht völlig Sicheres. Jenseits der gebogenen Fensterscheibe bewegte sich rhythmisch der Ozean. Snaut wandte die blutunterlaufenen Augen nicht von mir. Die Angst schwand aus seinem Gesicht, aber was nicht verschwand, war unsäglicher Ekel.
    -    Was hast du…? fragte ich halblaut. - Bist du krank?
    -    Sorgst du dich … - sagte er dumpf. - Aha. Sorgen wirst du dich, was? Aber warum um mich? Ich kenn dich nicht.
    -    Wo ist Gibarian? - fragte ich. Eine Sekunde lang blieb ihm die Luft weg, seine Augen wurden wieder glasig, etwas strahlte in ihnen auf und verlosch.
    -    Gi… giba - stotterte er - nein! Nein!!!
    Er schüttelte sich in lautlosem, idiotischem Gekicher, das plötzlich aussetzte.
    -    Zu Gibarian bist du gekommen…? - sagte er fast ruhig. - Zu Gibarian? Was willst du mit ihm machen?
    Er schaute mich an, als hätte ich plötzlich aufgehört, für ihn gefährlich zu sein; in seinen Worten und noch mehr in ihrem Tonfall lag etwas wie gehässige Beleidigung.
    -    Was sagt du da… - stammelte ich ganz benebelt. - Wo ist er?
    Er war starr.
    -    Das weißt du nicht…?
    Er ist betrunken - dachte ich. Sinnlos betrunken. Mich packte wachsender Zorn. Eigentlich hätte ich weggehen sollen, aber mir riß die Geduld.
    -    Reiß dich zusammen! - donnerte ich. - Woher kann ich wissen, wo er ist, wenn ich den Moment erst eingeflogen bin! Was ist mit dir los, Snaut!!!
    Die Kinnlade klappte ihm herab. Wieder blieb ihm einen Moment lang der Atem weg, aber irgendwie anders, ein plötzlicher Glanz erschien in den Augen. Mit zitternden Händen faßte er die Armlehnen des Sessels und erhob sich mühsam, daß die Gelenke knackten.
    -    Was? - sagte er fast ernüchtert. - Eingeflogen? Von wo bist du eingeflogen?
    -    Von der Erde - antwortete ich wütend. - Vielleicht hast du schon von ihr gehört? Sieht aus, als hättest du nicht!
    -    Von der … lieber Himmel … so bist du also - Kelvin?!
    -    Ja. Was schaust du so? Was ist daran so merkwürdig?
    -    Nichts. - sagte er und klapperte schnell mit den Liddeckeln.
    -    Nichts.
    Er rieb sich die Stirn.
    -    Kelvin, entschuldige, das ist nichts, weißt du, einfach die Überraschung. Ich war nicht darauf gefaßt.
    -    Was heißt du warst nicht gefaßt? Ihr habt doch vor Monaten die Nachricht bekommen, und Moddard hat heute noch telegrafiert, von Bord des Prometheus…
    -    Ja, ja … gewiß, bloß, siehst du, hier herrscht ein gewisser… Wirrwarr.
    -    Allerdings - antwortete ich trocken. - Das ist schwer zu übersehen.
    Snaut wanderte um mich herum, als überprüfte er das Aussehen meines Raumanzugs, des gewöhnlichsten von der Welt, mit dem Zaumzeug von Leitungen und Kabeln auf der Brust. Hustete ein paarmal. Berührte die knochige Nase.
    -    Vielleicht willst du ein Bad nehmen…? Das wird dir guttun. Die blaue Tür, auf der drüberen Seite.
    -    Danke. Ich kenne den Plan der Station.
    -

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