Solo
er am Leben geblieben. Er versuchte, sich aufzurichten, da ratterte
eine Maschinenpistole los, und er bekam zwei Kugeln in die Brust.
Während er auf dem Boden lag,
konnte er den Lastwagenfahrer sehen, der auf der anderen Seite des
brennenden Wracks zur Erde geschleudert worden war und im Todeskampf
zuckte. Vier bis an die Zähne bewaffnete Männer eilten
herbei. Lachend umringten sie den Fahrer. Mikali konnte nicht sehen,
was sie mit ihm anstellten, aber der Mann fing an zu brüllen.
Danach knallte ein Schuß.
Die Bewaffneten kamen auf Mikali zu,
der inzwischen an der Mauer des Dorfbrunnens hockte und eine Hand unter
seine Tarnjacke gesteckt hatte, dorthin, wo das Blut durchsickerte.
«Sieht nicht gut aus,
wie?» sagte der Anführer der kleinen Gruppe in
französischer Sprache. Mikali sah, daß das Messer in der
Hand des Mannes naß war von Blut.
Zum erstenmal seit Katinas Tod lächelte Mikali. «Ach, es könnte schlimmer sein.»
Seine andere Hand, die unter der Jacke hervorkam,
umklammerte eine Smith & Wesson Magnum, eine
Waffe, die er vor einigen Monaten auf dem schwarzen Markt in Algier
erworben hatte. Sein erster Schuß blies die Schädeldecke des
Mannes weg, der zweite traf den Dahinterstehenden zwischen die Augen.
Der dritte Mann versuchte gerade, sein Gewehr in Anschlag zu bringen,
als Mikali ihn zweimal in den Bauch schoß. Der vierte ließ
in Panik seine Waffe fallen und wollte davonlaufen. Mikalis letzte
beiden Schüsse zerschmetterten ihm das Rückgrat und trieben
ihn kopfüber in das brennende Wrack des Lastwagens.
Drüben, hinter der Rauchwolke,
schoben sich ein paar Dorfbewohner ängstlich aus ihren
Häusern. Mikali leerte die Smith & Wesson, fischte mühsam
eine Handvoll Patronen aus der Tasche und lud bedächtig nach. Der
Mann, den er in den Bauch getroffen hatte, stöhnte und versuchte
aufzustehen. Mikali schoß ihn in den Kopf.
Mikali nahm die Mütze ab und
preßte sie auf seine Wunde, um den Blutstrom einzudämmen. Er
blieb ruhig an der Brunnenwand sitzen, den Revolver im Anschlag, und
die Dorfbewohner hüteten sich, ihm nahe zu kommen.
Er saß noch immer dort, bei
vollem Bewußtsein, nur von den Toten umgeben, als eine Patrouille
der Legion ihn eine Stunde später fand.
Das Ganze war wie Ironie des
Schicksals gewesen, denn der nächste Tag, der 2. Juli 1962,
brachte die Unabhängigkeit Algeriens und beendete die
siebenjährigen Kämpfe. Mikali wurde nach Paris geflogen und
ins Militärhospital gebracht, wo ein Spezialist die Kugeln aus
seiner Brust entfernte. Am 2 7. Juli erhielt er als
Tapferkeitsauszeichnung das Croix de la Valeur Militaire. Tags darauf kam sein Großvater zu Besuch.
Dimitri Mikali war jetzt siebzig, sah jedoch noch
immer gesund und rüstig aus. Er saß an Johns Bett und
betrachtete längere Zeit schweigend die Auszeichnung, dann sagte
er leise: «Ich habe im Hauptquartier der Legion vorgesprochen. Da
du noch immer nicht einundzwanzig Jahre alt bist, könnte ich unter
Umständen deine Entlassung durchsetzen.»
«Ja, ich weiß.»
Und dann gebrauchte sein
Großvater die gleichen Worte wie an jenem nun fast drei Jahre
zurückliegenden Sommerabend in Athen; er sagte: «Du hast
also beschlossen, dich wieder zu den Lebenden zu gesellen, wie?»
«Warum nicht?» antwortete
John Mikali. «Allemal noch besser als sterben, soviel weiß
ich jetzt.»
Er nahm ein wunderschönes
Zeugnis der Fremdenlegion in Empfang, worin zu lesen stand, daß
der Obergefreite John Mikali zwei Jahre lang ehrenhaft und treu gedient
habe und aus gesundheitlichen Gründen zwei Jahre vor Ablauf seines
Kontrakts entlassen worden sei.
Die Begründung traf durchaus zu.
Die beiden Kugeln in der Brust hatten den linken Lungenflügel
schwer beschädigt, und John mußte sich in London einer
neuerlichen Operation unterziehen. Anschließend kehrte er nach
Griechenland zurück, aber nicht nach Athen, sondern nach Hydra. Er
zog sich zurück in die Villa hoch über dem Meer, hinter der
die Berge und die Pinienwälder aufragten. Eine wilde, unwirtliche
Gegend, die auf dem Landweg nur zu Fuß oder mit einem Maulesel zu
erreichen war.
Zu seiner Bedienung hatte er ein
altes Bauernehepaar, das unten in der Bucht eine Hütte an der Mole
bewohnte. Der alte Konstantin schaffte mit dem Boot alles Nötige
aus der Stadt Hydra herbei und kümmerte sich um das
Grundstück, die Wasserversorgung, den Generator. Seine Frau
besorgte John den Haushalt und kochte auch
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