Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommer

Sommer

Titel: Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
Vom Netzwerk:
theilnahmsartig thun –, das war ganz über meine Kraft. So ließ ich mich denn, als das schwere starre Stück das ich war, gleich Freitag hierher reisen, bin seit (vorvorigem) Sonnabend früh hier in dieser guten Lieblichkeit, aber jedem Wohlthun, Gott verzeih mir, so verschlossen und abgelehnt, daß zwischen diesen umgänglichen Umgebungen und mir kein Verkehr und
keine Freude zustande kommt. Il faut que je me remets, que je me retrouve, ce sera long et je crois pas que cela se passera ici –
    Nein, wenn ich manchmal durch ein kleines Loch in der Mauer meiner Apathie hinausschaue ins Wirkliche, einen Augenblick lang, – so staune ich, wie weit ich vom »poverello« jetzt bin que nous importe le bon cœur de cette petite bourgade d'Ombrie , der heilige Franz, das ist viel, aber uns umfaßt es nicht mehr, die Armuth ist eines, handgreiflich wie ein Stein und ebenso hart, aber seither ist das Geld geistig geworden, weit über den greifbaren Besitz hinaus ein schwingendes, eindringliches, fast vom Besitzenden unabhängiges Element, eine Athmosphäre, die keinen Gegensatz mehr hat. Nun handelt sich's drum, zu diesem neuen »Reichthum« die neue Armuth zu finden, alles hat sich ja weit ins Unsichtbare hinein zurückgezogen, nachahmen kann mans freilich immer noch außen, daß man arm sei, aber die richtige Armuth muß wieder von neuem innen in der Seele geboren werden und wird vielleicht gar nicht franziskanisch sein. – Dies alles hier rührt uns ja noch, und vor zehn Jahren hätt ich, mit der Einbildungsfreude der Jugend, es anempfunden, – jetzt, auch nur einen Moment hier zuzustimmen, ist pure Nachahmung des Gefühls und im Tiefsten unfruchtbar. Ach lebte dies noch aus seiner eigenen Glut und erhielte sich nicht nur von Herz zu Herz mühsam, wie anders müßte die Spannung sein in der innigen Unterkirche, in der die Giotto's eine unerschöpfliche Nähe jenes Heiligenlebens unterhalten. Wie müßte dort der nur Zuschauende, der Beschauer, sich beschämt und ausgeschlossen fühlen und so gar nicht an seinem Platz, – indessen, es geht ausgezeichnet, herumzugehen und sich einfach kunstbetrachtend anzustellen, – merkwürdig wenig Ergreifung liegt in dieser grottigen Dunkel
heit, – daß ichs nicht bin möchte leicht an mir liegen, aber ich seh auch sonst nur Neugierige um mich herum und, selbst wenn mir nicht vor ihnen graute, würde ich Ausdrücken wie » lovely « und » charming « keinen hohen inneren Wärmegrad zuschreiben.
    Liebe Fürstin, denken Sie zuweilen an mich, das hilft sicher irgendwie, wenn Sie in Perugia etwas besonders lieben, so schreiben Sie mirs, dorthin komme ich sicher noch (bei sonst noch ganz unbestimmten Plänen).
    Taxis I (18. 5. 1914, aus Assisi), 377-379
    D ie Welt kann hier fremd sein, fremd, manchmal sondert sie einen so reinlich aus wie ein Automat, der ein unpassendes Geldstück ohne Überlegung von sich giebt. Und doch sind grenzenlose Vertrautheiten da, nur kommt man auf einer ersten und obendrein konfusen Reise nicht zu ihrer Einsicht. Ich denke, vieles wird sich nachträglich einstellen, wenn man erst wieder mitten im eigenen Leben wohnt. Das meine werd ich irgendwie ganz von vorne anzufangen haben.
    Taxis I (27. 2. 1911, aus Kairo), 32
    I hre Karte (Falaize de l'Oule et Castel-Viel) ließ leider nicht erkennen, wie es Ihnen dort geht: gut? Ich wünsche es so sehr, daß ich daran glaube. Trotzdem das Wetter wahrscheinlich auch im Süden so unsommerlich war. Hier kommt es lediglich auf ein nachlässiges Abnutzen der vollen Bäume hinaus; und was sie nun (die im Luxembourg) mit der seit drei Tagen eingebrochenen Hitze anfangen sollen, (diese Kastanien, ach, die sich ausnehmen, als hingen sie voll abgetragener Handschuhe) –: Gott weiß es. Die
einzige Freude, die ich habe, ist, für alles das gar nicht verantwortlich zu sein, nicht einmal für den Kometen von 1831, der Ende September im Sternbild des Stieres uns entgegentreten und während des nächsten April sogar freien Augen, allgemein und unentgeltlich, sichtbar bleiben soll –.
    Vollmoeller (8. 8. 1909), 57
    Die neunte Duineser Elegie
    W arum, wenn es angeht, also die Frist des Daseins
hinzubringen, als Lorbeer, ein wenig dunkler als alles
andere Grün, mit kleinen Wellen an jedem
Blattrand (wie eines Windes Lächeln) –: warum dann
Menschliches müssen – und, Schicksal vermeidend,
sich sehnen nach Schicksal? …
    Oh, nicht , weil Glück ist ,
    dieser voreilige Vorteil eines nahen Verlusts.
Nicht aus Neugier, oder zur

Weitere Kostenlose Bücher