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Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Titel: Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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dazu, verletzt zu werden.“
    „Das Risiko gehe ich ein.“
    Okay, dachte sie. Er hat zwei Jahre im Kriegsgebiet überlebt. Er war so dickköpfig und stur wie sein Großvater.
    „Komm, gehen wir hier hinein.“ Sie zeigte auf das Internetcafé in der Nähe des Krankenhauses. „Ich muss dir etwas zeigen.“
    Die Atmosphäre in dem Café war gedämpft und intim. Auch wenn die Kamera über der Tür nicht aktiviert war, klebte Claire zur Sicherheit ein Post-it auf die Linse. Ross kaufte ihnen je ein Wasser, während Claire eine Adresse in das Browserfenster tippte. Ein Foto erschien, auf dem Reihen und Reihen von flachen Steinen zu sehen waren, zwischen denen Gras wuchs. „Das ist der Fairacre-Friedhof.“ Sie zoomte auf einen der Steine. Die Inschrift war schlicht: Mario und Joseph Balzano. Gest. 2001 . Der Anblick ihrer Namen brachte das Echo der alten Panik wieder hoch. Sie waren Kinder gewesen. Doch der Mann, dem sie vertraut und den sie respektiert hatten, hatte sie angegriffen wie ein in die Ecke gedrängtes Monster. „Ich bin noch nie an ihrem Grab gewesen.“ Claire sprach ganz leise. „Das konnte ich nicht riskieren.“
    „Wer sind sie?“
    Sie scrollte seitwärts zu einem anderen Grabstein, auf dem stand: Clarissa Tancredi. Gest. 2001. Es machte sie jedes Mal irre, den in Stein gemeißelten Namen zu sehen.
    „Und wer ist das?“, fragte Ross.
    „Das“, sagte sie und fing an zu zittern, „bin ich.“

27. KAPITEL
    D er Grund, wieso Claire noch nie mit einem Mann geschlafen hatte, hatte nichts mit moralischen Standards oder stolzen Idealen zu tun. Sie hatte es einfach noch nie getan, weil sie Angst hatte, sich verletzlich zu machen. Doch mit Ross wollte sie genau das – sich ergeben, ihm die intime Landschaft ihres Körpers anvertrauen … und ihr Herz.
    Sie war nicht darauf vorbereitet gewesen, wie mächtig das Erlebnis sein würde. In dieser langen, magischen Nacht hatte sie entdeckt, dass Sex nicht einfach nur Sex war. Es war eine Möglichkeit, ihm zu zeigen, wer sie war, ohne ein Wort sagen zu müssen. Für jemanden, der seine Identität seit so langer Zeit verborgen hielt, war das ein unbezahlbares Geschenk.
    Jetzt musste sie jedoch ihre Worte benutzen. Um ihm zu erzählen, wer sie wirklich war, musste sie ihm ihr fürchterliches Geheimnis offenbaren. Wenn er verstand, wer sie gewesen war, würde er vielleicht auch verstehen, wer sie jetzt war. Für sie war das ein Sprung ins Ungewisse. Sie hatte es schon einmal getan, um ihr Leben zu retten. Doch dieses Mal tat sie es, um sich vor etwas anderem zu retten.
    Sie ging voran nach draußen und schaute sich genau um, bevor sie in Richtung eines im Schatten liegenden Parkplatzes ging. Hier und da gab es Überwachungskameras, und sie achtete darauf, ihnen den Rücken zuzuwenden. Wenn sie Ross anschaute, sah sie nichts als Liebe und Akzeptanz in seinen Zügen. Sie atmete tief ein und aus, als wenn sie sich bereit machte, von einer hohen Klippe zu springen. „Es gibt etwas, das du wissen musst, bevor ich fortfahre. Wenn ich dir diese Dinge erzähle, setzt du dich damit dem gleichen Risiko aus wie ich.“
    „Was für ein Risiko?“
    „Es gibt einen Mann, der mich töten will. Ich verstecke mich vor ihm, seitdem ich siebzehn bin. Ich glaube, dass er hinterdem Angriff auf Mel steckt.“
    „Wow! Moment mal. Jemand will dich umbringen?“
    „Ja. Wegen etwas, das ich gesehen habe. Wegen etwas, das Clarissa Tancredi gesehen hat.“
    „Und was war das?“
    „Ein Doppelmord.“
    „Du hast einen Doppelmord gesehen?“
    Jede Nacht in meinen Träumen, dachte sie. Sogar jetzt noch. Sie nickte. Ihr Herz fing an zu rasen, als ihr aufging, was sie zu tun im Begriff stand. „Das Mädchen namens Clarissa hörte eines sonnigen Morgens auf, zu existieren. Ich bin am nächsten Tag wiedergeboren worden, in einer kleinen Gasse hinter einer Bar, von der aus ich mit nichts außer einem Rucksack und einem dicken Umschlag mit offiziellen Dokumenten davonmarschiert bin. Es war das Seltsamste, Radikalste, was man sich vorstellen kann. Alles, was ich bis dahin gewesen war, hinter mir zu lassen und jemand anderes mit einer ganz neuen Geschichte zu werden.“
    „Du hast deine Identität geändert? Willst du mir damit sagen, dass du im Zeugenschutzprogramm bist?“
    „Das ist nicht so, wie man es aus dem Fernsehen kennt. Solche Programme sind für Leute, die Zeuge eines Bundesverbrechens geworden sind. Wenn die Bundespolizei nicht involviert ist, gibt es auch kein Programm,

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