Sommerfrische – Verbotene Kuesse im Mondschein
ungewöhnlich.”
“Leider bin ich genötigt, mir den Lebensunterhalt zu verdienen”, erwiderte Annis befremdet. “Zudem hasse ich Müßiggang. Im Übrigen widme ich mich der mir selbst gestellten Aufgabe mit Freude.”
“Ich verstehe”, murmelte Adam. “So kann nur jemand sprechen, der unabhängig ist und seine Freiheit schätzt.”
Bestürzt erkannte Annis, dass sie zu offenherzig gewesen war. Im Allgemeinen war sie ziemlich zurückhaltend und sprach wenig über sich, erst recht nicht mit Fremden. “Ja, ich genieße es, eigenständig zu sein”, erwiderte sie ernst. “Die Position einer Patronesse ist gesellschaftlich nicht mit der einer Gouvernante zu vergleichen und lässt mir sehr viel Spielraum in der Wahl meiner Schützlinge und des Arbeitszeitraums. Zudem komme ich viel herum und lerne neue Menschen kennen.” Ärgerlich auf sich hielt sie inne, da sie soeben dem Vorsatz untreu geworden war, nicht so viele persönliche Dinge preiszugeben.
“Sie entsprechen in nichts dem Bild, das man sich üblicherweise von einer Anstandsdame macht”, warf Adam ein. “Ich gebe jedoch zu, dass ich nicht über umfangreiche Erfahrungen mit Patronessen verfüge. Wie Sie vorhin zu Recht bemerkten, verkehren wir beide in unterschiedlichen Kreisen.”
“Vermutlich sind viele der Damen dafür dankbar”, erwiderte Annis spitz, “da sie somit nicht ständig vor Ihnen auf der Hut sein müssen.”
“Wie darf ich das verstehen?”, fragte Adam belustigt.
“Ihnen geht der Ruf voraus, ein Lebemann zu sein.”
“Falls Sie darauf anspielen, ich könne daran interessiert sein, eine der Schwestern Crossley oder beide zu verführen, so kann ich Sie beruhigen”, sagte Adam erheitert. “Ich bin kein prinzipienloser Frauenheld.”
“Nein?”
“Nein!”, bestätigte Adam mit Nachdruck. “Sie wirken jedoch nicht sehr überzeugt auf mich.”
“Ihnen kann es nicht wichtig sein, Sir, was ich von Ihnen halte. Ich glaube nicht, dass wir in Zukunft oft Gelegenheit zu weiteren Gesprächen haben werden. Ich nehme meine Aufgabe ernst und bin nicht gewillt, meinen Schützlingen ein schlechtes Beispiel zu geben, indem ich Umgang mit Ihnen pflege.”
“Sie nehmen wahrlich kein Blatt vor den Mund, Madam!”, erwiderte Adam kopfschüttelnd. “Finden Sie nicht, dass Sie reichlich voreingenommen sind?”
“Ich bin der Ansicht, dass ein offenes Wort zu Beginn einer Bekanntschaft notwendig ist, um späteren Missverständnissen vorzubeugen.”
“In diesem Punkt stimme ich Ihnen zu”, räumte Adam ein. “Ich finde es jedoch höchst bedauerlich, dass Sie eine so schlechte Meinung von mir haben. Wahrscheinlich wäre das nicht der Fall, hätten wir uns früher kennengelernt. Wenn ich berücksichtige, dass Sie wie ich in der Umgebung von Harrogate aufgewachsen sind, ist es verwunderlich, dass wir uns nicht eher getroffen haben. An Ihren Vetter und Ihre Cousine erinnere ich mich noch gut. Mein Bruder war zu Tode betrübt, weil Miss Sibella Mr. Granger ihm vorgezogen hat. Wo waren Sie zu jener Zeit, Madam?”
“Mit der Annahme, ich sei in Starbeck groß geworden, sind Sie einem Irrtum erlegen”, antwortete Annis und wandte den Blick ab. “Mein Vater war bei der Königlichen Marine, sodass meine Eltern und ich oft den Wohnort gewechselt haben. Ich war selten in Starbeck zu Besuch.”
Adam konnte dem Drang nicht widerstehen, Lady Wycherley auszufragen. “Haben Sie nach Ihrer Heirat in London gelebt?”, erkundigte er sich.
“Nein. Mein Gatte und ich haben in Lyme Regis gewohnt.”
Die Stimme der verwitweten Baronin hatte etwas bedrückt geklungen, sodass Adam befürchtete, zu weit gegangen zu sein. “Verzeihen Sie, Madam, habe ich etwas Falsches gesagt?”, äußerte er betroffen und schaute sie beunruhigt an.
“Nein”, antwortete sie leise. “Aber ich möchte nicht über meine Ehe sprechen.”
“Warum nicht?”, platzte Adam unhöflich heraus. “Waren Sie nicht glücklich?”
Annis ärgerte sich über seine Aufdringlichkeit. “Nein”, sagte sie knapp. “Und das ist der Grund, warum ich nicht darüber reden will!”, setzte sie hinzu und ging davon aus, dass Lord Ashwick sich jetzt seiner Manieren besinnen werde.
“Das tut mir leid zu hören”, fuhr er mitfühlend fort und merkte plötzlich, wie unverschämt er sich benahm. “Verzeihen Sie bitte meine Impertinenz”, entschuldigte er sich hastig. “Leider habe ich die Neigung, hartnäckig zu sein, wenn ich etwas in Erfahrung bringen möchte.”
“Schon
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