Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Betreten ein angewidertes Gesicht, machte auf dem Absatz kehrt und sagte, sie müsse noch mal zurück zum Auto, Oscar habe die Hose voll, er brauche eine neue Windel.
Simone hatte ihre Intuition, was Häuser betrifft, in letzter Zeit wider Willen kultiviert, indem sie für ihren Großonkel, einen Immobilienhai aus Stuttgart, potenzielle Kaufobjekte in Berlin auskundschaften musste. Das entbehrte nicht einer gewissen Komik. Denn dieser familiäre Gefallen für den netten Onkel hatte Simone als ehemalige Hausbesetzerin in tiefere Gewissensnöte gestürzt und ihr im Freundeskreis den Beinamen »Mutter Courtage« eingehandelt. Wir betraten das Wohnzimmer, und die Lage war eindeutig: Simones Gespür würde heute nicht weiter vonnöten sein, dieses Objekt war schon auf der grobstofflichen Ebene ein Totalausfall.
»Ein einziger David-Lynch-Film«, knurrte Jörg.
Die Zimmer waren Zellen, die Fenster Schießscharten, auf die der Vorbesitzer zu allem Übel auch noch eine Folie mit einer Art Kirchenfensteroptik aufgebracht hatte, wohl damit noch weniger Licht in sein düsteres Leben dringen konnte. Eine grenzwertige Olfaktorik erzählte davon, dass hier die Bewohner mit ihrem Mobiliar um die Wette gesiecht haben mussten, nach dem Motto: »Wer zuerst hinüber ist.« Nur noch Konrad verfügte über die nötige mathematische Begabung, um hochzurechnen, dass aus dieser Geisterbahn von einer Immobilie mal unser Landhaustraum auferstehen könnte.
»Gar nicht so schlecht, müsste man doch nur komplett entkernen«, sagte er.
»Und der See?«, fragte ich.
»Natürlich, der See, selbstverständlich – kommen Sie mit.«
Am hinteren Ende des Gartens standen zwei Trauerweiden. Elke und Andine, die sich die Kinder geschnappt hatten und aus Neugier schon mal vorgelaufen waren, kamen uns bereits wieder entgegen. Kopfschüttelnd.
»Gleich kommt der See!«, kündigte der Makler mit Gameshow-Moderatorenstimme an. Hinter den Weiden zum Vorschein kam ein besserer Gartenteich, in dem man mit einem Ruderboot nicht hätte wenden können. Die Kinder jagten im Garten einem verirrten Frosch hinterher.
»Der sucht wohl auch den See«, sagte Elke bitter. »Lasst uns abhauen«.
»Ick hab so Heimweh nach meinem Berlin«, sang Andine.
»Moment mal!« Konrad breitete seine Exposé-Sammlung auf dem Volvo-Dach aus und sagte: »Erst mal fand ich das hier schon ganz ordentlich.«
Die Runde stöhnte theatralisch.
»Mir scheint, ihr seid alle ein bisschen sehr verwöhnt von Zechlin. Ihr müsst mal eure Ansprüche etwas zügeln. Sonst wird das nie was.« Konrad zog einen zusammengehefteten Stapel Blätter aus der Klarsichthülle. »Allerdings habe ich hier noch ein Angebot, das müsste sogar für euch satisfaktionsfähig sein: ›Sommerfrische im Oderbruch. Natursteingebäude mit Nebengelass und Zugang zum See‹«, las er vor. Dann zeigte er mit dem Finger von einem zum andern.
»Nächsten Samstag ist Besichtigung.«
»Uncle Sam wants you«, kommentierte Olli.
Während das Exposé die Runde machte, legte Andine den Finger in die Wunde: »Und wie stellt sich Graf Zahl vor, sollen wir uns das leisten können, wenn schon die Bruchbude hier kaum erschwinglich ist?«
»Was man halt so macht als marodierender Heimatloser«, sprang ich ein. »Plündern. Bis nächsten Samstag muss jeder seine Knax-Klub-Konten, die von Oma eingerichteten Bausparverträge und Jeans-Sparbücher rauskramen. Lass uns das der Gruppe als Hausaufgabe mit auf den Weg geben, Konrad. Gemeinschaftsfinanzierung war doch immer schon unsere Allzweckwaffe zur Luxus-Erschleichung.«
»Am besten mailt mir mal jeder, was er ungefähr beizusteuern hätte, dann versuche ich mich mal an einem Finanzierungsplan«, sagte Fabian. Er schwang sich in den champagnercremefarbenen Ledersitz seines silbernen Audis und machte sich davon.
»Bis Samstag!«
MAXIMAL SCHLECHTE NACHRICHTEN, MAXIMAL GUTE NACHRICHTEN
Nach weniger als acht, aber sicher mehr als vier Samstagen war nicht mehr zu übersehen, dass Simone und Elke schwanger waren. Aber auch wir Nichtschwangeren hatten rote Bäckchen. Die Natur auf dem Grundstück nahe der Ortschaft Liepe stand in der vollen Blüte des Frühlings. Den Efeu an unserem toskanesken Sommerfrische-Häuschen mit Nebengelass konnte man förmlich beim Klettern anfeuern.
»Kollegen, wir haben hier einfach mal den Jackpot geknackt«, sagte Olli. »Das volle Programm: knorrige Obstbäume, sanft zum See abfallende Wiese, eigener Steg – was will man noch?«
Und so wie vor
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