Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Mal in Augenschein genommen hatte. Sie war, weil sie den Zettel mit der Adresse zu Hause vergessen hatte, als Vorauskommando unserer Besichtigungsautokolonne auf das Lieper Grundstück gelaufen und zunächst mit der Fehleinschätzung zum Auto zurückgekehrt, dass es das nicht sein könne, weil das für den Preis zu schön sei. Die Motoren heulten schon wieder auf, da kam die Eigentümerin ans Gartentor und pfiff uns zurück.
»Halt! Sie sind hier genau richtig! Hier ist die Besichtigung!«
Und obgleich sofort klar war, dass wir dieses Haus unbedingt bekommen mussten , gab es noch so einige Kinnhaken einzustecken.
Die Suche nach einem erschwinglichen Landhaus, das unserem Beuteschema entsprach, behielt Drehmoment. Sie dürfe, so die gemeinschaftliche Überzeugung, erst zum Erliegen kommen, wenn das Wassergrundstück Liepe in restlos trockenen Tüchern lag. Dass die ganze Gruppe auf diese Sichtweise einschwenkte, war auch auf meine Meinungsmache zurückzuführen. Mit Verve hatte ich alle immer wieder in mein weltanschauliches Boot geholt, das durch einen kruden Mix aus naivem Wunderglauben und protestantischem Arbeitsethos angetrieben wurde.
»Kinder, gerade jetzt, wo wir dieses Kleinod in Griffweite haben, müssen wir umso mehr Gas geben bei der Suche. Das Universum stellt uns auf die Probe. Wenn wir jetzt abschlaffen, wird uns das alles im letzten Moment vielleicht doch noch entrissen.«
Überlegungen wie diese entsprachen einem schon zu Schulzeiten eingeübten Schema. Wenn meine Versetzung in Gefahr war, schuf ich mir magische Rituale und sagte mir, anstatt ein Stündchen länger für Klausuren zu üben, es werde schon alles irgendwie gut gehen, wenn ich es nur schaffte, zweihundertmal mit dem Tennisschläger einen Tennisball hintereinander weg an die Hauswand zu spielen, ohne dass er zu Boden fiel . Weil ich diese Art von Schicksalsspiel immer irgendwann gewann und ich daraufhin nie sitzen blieb, war ich von der Wirksamkeit meiner Rituale im Laufe der Jahre zunehmend überzeugt. – Nun plagte die Angst, unsere Versetzung aufs Land könnte gefährdet sein, auch die Mehrzahl der Mitbewohner in spe.
Also setzten wir unsere Besichtigungstouren über Land Wochenende für Wochenende fort. Unter zusätzlich erschwerten Voraussetzungen: Da uns das Juwel von Liepe mit seiner Strahlkraft ziemlich betört hatte, kamen diese Ausflüge von Besichtigungstermin zu Besichtigungstermin streckenweise einer Reise durch Dante’sche Höllenkreise gleich. Da war etwa die Villa im Dunstkreis von Eisenhüttenstadt, deren große Zeit genauso lange vergangen war wie jene ihres Erbauers, eines zur Nazizeit berühmten Operntenors. Das Gemäuer, hinter dem sich schon die rauchenden Schlote der Stahlverhüttungsindustrie abzeichneten, war zu DDR -Zeiten eine Irrenanstalt und wurde seit der Wende von Punks bewohnt. Für die aber hatte die Erhaltung des inwendig mit PVC -Belag und außen mit zonengrauem Putz verschandelten Gebäudes offensichtlich nicht ganz oben auf der To-do-Liste gestanden.
Von dort aus ging die Suche weiter zu einem Objekt von niederschmetternder Hässlichkeit. Es handelte sich um einen flachen Waschbetonklotz, ein Verwaltungsgebäude, das auf dem Gelände einer ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft stand, welche sich im an und für sich lauschigen Boizenburger Land befand. Hier hatte es sich ein Aussteigertyp aus Schwaben unwohnlich eingerichtet. Ein Messiwessi, der gleich nach der Wende vor dem Ordnungswahn im Land der Kehrwoche in die ehemalige DDR geflüchtet war, wie er uns freimütig berichtete. Gerüchteweise hieß es auch, am Ende der Betontrasse hinter den Güllegruben und den Flutlichtmasten gebe es einen See – gerüchteweise, denn auf die Besichtigung des Sees verzichteten wir nach der des Hauses dankend.
Wieder auf der anderen Seite der Hauptstadt im Spreewald, geriet die Besichtigung eines inmitten des Kanalgewirrs dieser Gegend gelegenen Häuschens zu einer Lektion zum Thema Sanierung: Der Hausbesitzer hatte einen Dachschaden ignoriert und zunächst mal den schimmeligen Holzboden durch neue Dielen ersetzt, die allerdings, da es lustig weiter reinregnete, auch schon wieder morsch geworden waren. Anschauungsunterricht dafür, dass man Häuser von oben nach unten renovieren musste, was ja eigentlich keine ganz neue Erkenntnis war. Andere Objekte wiederum, wie ein Fachwerkhäuschen mit abgezirkeltem Garten und Wimbledonrasen im Havelland missfielen, weil sie zu perfekt waren. Nur noch
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