Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Freundinnen und Zechliner Mitstreiterinnen, die als Übersetzerinnen oft zu Arbeitseinsätzen in Skandinavien weilten, sowie Niels, ein Web-2.0-Nerd, der immer schon als Freund frei assoziiert war mit dem Zechliner Kreis. Kurz nach der Entdeckung des Lieper Anwesens war Niels von Konrad in einem russischen Restaurant in Berlin unter Einsatz von Wodka und Kaviar gefügig gemacht worden, schwankte noch für eine halbe Stunde, taumelte dann aber bereits als fest eingeplanter Miteigentümer aus der Lokalität hinaus ins Freie.
Selig, wie die Gruppe war, erinnerte unser zweites Frühstück am Lieper Gartentisch entfernt an Da Vincis Gemälde Das Abendmahl , hier in einer brandenburgischen Neuauflage mit Papptellern und Saft aus dem Tetrapack.
Konrad breitete die Arme aus und sagte: »Das gehört nun alles uns. Und bis Ende des Monats wird es so Gott will auch im Grundbuch stehen.«
»Amen, Konrad«, sagte ich, »das Grundbuch ist für dich auch so eine Art Bibelersatz.«
Die Bemerkung ging schon halb unter im großen Rascheln und Kauen, das stets vom Ankommen der Gruppe im Reich der Sorglosigkeit kündete. Inneren Frieden hatten wir an diesem Tag allerdings auch ohne den Konsum von Discounter-Lebensmitteln schon erlangt. Ähnlich wie mich in Kindheitstagen das Hintergrundrauschen der Spülmaschine nach dem Mittagessen auf dem elterlichen Sofa in einen Alphazustand versetzte, so wirkte es nun außerordentlich beruhigend, dass im Hintergrund die Feinmechanik der Bürokratie für uns zu schnurren begonnen hatte.
Während wir hier saßen und aßen, würde nach einer bestimmten Frist der Kaufvertrag in Kraft treten. Daraufhin würde das Darlehen der Commerzbank Eberswalde-Finow abgerufen, die Zahlung der Kaufsumme auf ein Anderkonto veranlasst und der Übergang des Eigentums stattfinden. Die Bedingungen des Kaufvertrags verkäuferseitig würden mit der Löschung der Grundbuchlasten sowie der Eintragung und Vormerkung des Kaufs ins Grundbuch erfüllt. Dann würde die sogenannte »Auskehrung« des Anderkontos folgen, also das Geld auf das Konto der ehemaligen Eigentümerin fließen. Schließlich würden wir von der ehemaligen Eigentümerin die Schlüssel ausgehändigt bekommen. Bis dahin wäre natürlich auch der Untermieter aus dem ersten Stock der Sommerfrische ausgezogen. Den gab es nämlich auch noch. Aber der packte bereits seine Kisten. Alles lief bestens.
»Halt stopp, das ist mir zu ungenau!«, warf Fabian ein und riss Teile der Gruppe jäh aus dem Fressnirvana. Er rückte eine imaginäre Krawatte zurecht. »Als geistiger Vater unseres Finanzierungsplans muss ich natürlich darauf bestehen, dass das Haus den Mietern nicht gehören wird. Das nur fürs Protokoll.«
Der Finanzierungsplan unserer für den Hauskauf gegründeten Immobilien-GbR, den Fabian in einigen Spätschichten ausgeschwitzt hatte, galt als Coup und wurde im Detail auch nur von ihm wirklich verstanden. Deshalb hatte Fabian versucht, ihn noch mal so zu erklären, dass ihn auch die Künstler und Geisteswissenschaftler unter uns kapierten. Demzufolge benachteiligte der Finanzierungsplan jene Mitglieder, die nur mieten wollten – faktisch drei –, um den wahren Käufern und Eigentümern – faktisch neun – durch Umverteilung eine fiktive Traumrendite von 8,3 Prozent zu ermöglichen – und dadurch möglichst viele Kandidaten doch noch zum Kauf zu animieren beziehungsweise die Käufer für ihre Kühnheit zu belohnen. Um eine fiktive Traumrendite handelte es sich deshalb, weil man sie nicht direkt ausgezahlt bekam, sondern nur indirekt davon profitierte: dergestalt, dass man langfristig die monatlichen Mietzahlungen wieder zurückbekam, zu denen uns der Plan allesamt verdonnerte, ob Miteigentümer oder nicht. Diese Mietzahlungen von rund hundertzwanzig Euro pro Monat hatten den Zweck, zum einen das Commerzbankdarlehen abzubezahlen und zum anderen die Nebenkosten des Hauses abzudecken – sowie einem nicht ganz ernst gemeinten Verdacht von Olli zufolge die silbernen Audis von Fabian und seinem Kompagnon zu finanzieren. Aber wie auch immer: Die drei »reinen Mieter« unter uns mussten diese monatlichen Kosten tragen, ohne den Trost, dass ihnen damit auch ein Scheibchen dieses Hauses gehörte – einer Immobilie, die ihren Wert langfristig sicher steigern würde.
Der steinige Weg bis zu diesen Glückshormonausschüttungen am Odersee war derweil schon fast wieder vergessen. Es war gut sechs Wochen her, dass Andine die Sommerfrische am Oderbruch das erste
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