Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Abstand, der zu den Seitenwänden des Lochs verblieb, sollte später mit Erde aufgefüllt werden. Weil man es nur so wirklich gerade hinbekam. Hatte ich also schon mal was gelernt.
»Ruhig ordentlich ruffklatschen«, feuerte Mike mich an, weil ich offensichtlich zu sparsam mit dem Mörtel umging. »Ansonsten sieht dit doch jarnich so übel aus.«
Wir gingen zu einer tayloristischen Arbeitsweise über. Im Akkord ging es weiter: Mike reichte mir Steine an, ich mauerte, währenddessen mischte er neuen Zement an, ich stapelte und verschmierte – und immer wieder von vorn. Über die Baseline des Betonradios legte sich nun das Brummen und Plätschern des rotierenden Betonmischers, was im Zusammenklang ein gar nicht mal so übles Baustellen-Techno ergab: ein Sound, der mich in eine Mischung aus Party- und Arbeitsstimmung versetzte – Slave of the Rhythm. Nachdem uns, vielmehr mir, der repetitive Rhythmus der Arbeit in Fleisch und Blut übergegangen war, gab es Raum für Gespräche.
»Und, heute nach Feierabend noch Party machen?«, fragte ich etwas ranschmeißerisch.
»Eher nich, muss morgen und Sonntag ooch wieda ranticken.«
»Sonntags auch? Was willst du eigentlich mit dem ganzen Geld?«
»Mein Vadder ist seit Sommer Frührentner. Ohne mein Jeld müssten wir beede aus unserm Haus raus.«
Ich schwieg und griff verlegen nach dem nächsten Ziegel.
Nach ein paar Steinen ergriff Mike wieder das Wort: »Und watt übrich bleibt, fließt in mein bestet Stück.«
»Deine Freundin, oder was?«
»Nee, mein Crossmotorad. Ick fahr immer mit meine Kumpels Motorrad im Jelände hier. Heute später wollnwer ooch wieder ne Runde drehn.«
»Wo denn?«
»Na, kreuz und quer überde Feldwege.«
»Gibt’s da nicht Ärger?«
»Ja, warnt mein Vadder ooch immer. Aber ick sage: Inner janzen Uckermark sind vielleicht zwee, drei Streifenwagen unterwegs, die kriegen uns sowieso nich. – Pass mal uff, da links anne Seite kriegt dit Mäuerchen bisschen Schlachseite.«
Wir mauerten und redeten und mauerten und redeten. Ein paar Mal, wenn mir ein Ziegel zu schief geriet oder eine Ladung Mörtel auf die Erde klatschte, rutschte mir noch ein mädchenhaftes »Uups« raus. Ansonsten lief alles glatt: Mike zeigte mir, wie man Ziegelsteine mit dem Hammer so splittet, dass man exakt passende Zwischenstücke bekommt. Er erzählte mir, wie seinerzeit die Feldsteine für die typischen uckermärkischen Scheunen zurechtgeschlagen wurden, sodass sie eine geeignet glatte Außenseite für die Fassade boten. Er erläuterte, wie die Vorfahren diese Oschis von Steinen überhaupt an der Wand hochgehievt und gestapelt bekommen hatten, und korrigierte von Zeit zu Zeit freundlich einen missglückten Stapelversuch von mir. Ein paar Mal drückte er mir eine Wasserwaage in die Hand und sagte: »Immer schön jerade hochziehen.« Dann ging er wieder zum Theorieteil über: woraus genau Zement sich zusammensetzt, wie er besser bindet, woran es liegt, wenn die Konsistenz nicht stimmt. All das erfuhr ich in meiner kleinen Maurerlehre.
»So, dit haste ja janz jut jemacht. Aber wie jedenkste, aus der Nummer nu wieder rauszukommen?«, fragte Mike.
»Aus welcher Nummer?«
Ich schaute mich um. Gedankenversunken hatte ich den Brunnen inzwischen bis auf Brusthöhe hochgemauert und den Ausstieg verpasst. Ratlos schaute ich zu Mike auf.
»Und, watt lernen wa daraus? Beim nächsten Mal rechtzeitich rausklettern und von oben zu Ende mauern, würd ick sagen.«
Mike rief Fabian zu Hilfe, um mich aus meinem selbst gemauerten Gefängnis herauszuhieven. Sie packten den Spaten an beiden Enden und hielten mir den Stil hin. Ich klammerte mich daran fest und ließ mich wie in einem Managerseminar für Teambuilding von den beiden hochziehen. Zusammen ein Mäuerchen hochziehen, das hatte schon Konrad und mich nach unserem persönlichen Verdun wieder versöhnt. Nun hatte es mich auch den Maltrinern ein gutes Stück nähergebracht. Mauer hoch, Vorurteile runter, dachte ich.
Am Samstagmorgen danach: Hände voller Blasen, ein steifer Rücken und ein rechter Unterarm, der ein knarzendes Geräusch machte, wenn ich das Handgelenk bewegte.
Auf der samstagmorgendlichen Gartenbanksitzung mit Olli freute ich mich diebisch über meinen wohlverdienten Tag Pause.
»Na, hast du bei Konrad schon den gelben Schein eingereicht?«, fragte Olli und trug damit meiner Leidensmiene Rechnung, die ich wie einen Orden vor mir hertrug. Wie im Boulevardtheater ging just in dem Moment die Haustür auf:
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