Sommerhitze
„Hihi, einen Spaziergang!“
„Was ist denn daran so lustig, Eve?“, fragt Lara irritiert und amüsiert gleichermaßen. „Dass Malte dasselbe gesagt hat?“
„Nein, nein, hihihi!“
„Was denn? Sag’ schon!“
„Wir haben die beiden beim Rummachen gestört!“
Das französische Paar sagt zwar nichts, doch das leise Schmunzeln in ihren Gesichtern ist Antwort genug.
„Das- ähm“, beginnt Malte. „Das tut mir natürlich sehr leid. Hätten wir uns nicht verlaufen-“ Er bricht ab.
„Hättet ihr euch nicht verlaufen, hätten wir gerade nicht so angenehme Gesellschaft.“ Jacques Lächeln ist ehrlich.
„Außerdem mussten wir doch sichergehen, dass ihr ebenfalls keine Serienkiller seid“, sagt Valerie. Sie sieht Eve einige Sekunden lang mit einem Blick an, der schwer zu deuten ist; ihre Augen wandern mehrmals von oben nach unten.
Die Blondine kichert wieder. „Oder Wildschweine!“ Dann lehnt sie sich etwas unbeholfen über die Bar zu Eve, um ihren Unterarm zu streicheln.
Kurz herrscht Schweigen, außer dem Regen ist nichts zu hören; der Barkeeper hat der Gruppe den Rücken zugewendet.
Schließlich sagt Jacques: „Sollen wir den Abend bei uns in der Suite fortsetzen? Man sieht zwar gerade wahrscheinlich nicht viel, aber die Aussicht ist toll.“
Während sich Malte und Lara fragend, aber neugierig ansehen und Connor die Maserung des glattlackierten Holzes mit den Fingerspitzen nachzieht, steht Eve sofort mit leicht wackligen Beinen auf und meint: „Auf jeden Fall! Der Wald ist von oben bestimmt nicht so gruselig!“
Zufrieden lächelt Jacques; die anderen leeren in großen Zügen ihre Drinks. Eve schlendert bereits auf die verzierten Säulen in Richtung der Lobby zu; Lara eilt ihr hinterher und stützt sie mit einem Arm.
Die Gänge des Hotels sind mit weinrotem Teppich ausgelegt, der jedes Geräusch zu schlucken scheint. In allen Ecken stehen barocke Sessel und Kommoden, die aussehen, als wollten sie sich gegenseitig mit Dekor überbieten. Die vier Freunde folgen dem französischen Pärchen wortlos durch das klassische Luxushotel. Obwohl es riesig ist, treffen sie keine anderen Gäste; es wirkt, als sei es völlig leer.
Eve, die immer noch beeindruckt ihren Blick schweifen lässt, beugt sich zu Lara und flüstert ihr ins Ohr: „Ich fühle mich wie im Halbschlaf. Das ist schön.“
Die Dunkelhaarige antwortet nicht, sondern lächelt nur sanft und haucht ihrer Freundin einen zarten Kuss auf die Wange.
Nach einigen Minuten öffnet Jacques eine schwere, dunkle Tür und deutet ins Zimmer, um den anderen den Vortritt zu lassen. Als alle eingetreten sind, schließt er die Tür hinter sich.
Connor sieht sich um und sagt trocken: „Das ist größer als die erste Wohnung, die Eve und ich zusammen hatten.“
Die gesamte Suite ist in royalen Farben gehalten; hauptsächlich Königsblau und demselben Weinrot wie der Teppich in den Gängen. Über dem gemusterten Teppich im Eingangsbereich hängt ein kleiner Kronleuchter. Rechts vom Wohnzimmer steht die Tür zum Schlafzimmer offen, wo sich ein riesiges Himmelbett befindet, dessen Pfähle mit detaillierten Schnitzereien dekoriert sind. Überall finden sich Möbel und andere Details, die den adeligen Stil des 19. Jahrhundert bis ins Kleinste fortsetzen.
„Will ich wissen, was ihr beruflich macht?“, fragt Lara beeindruckt.
„Ach, Arbeit ist langweilig“, erwidert Valerie nur und deutet in die Suite hinein. „Wir sind im Urlaub. Fühlt euch wie zuhause; der Kühlschrank ist voll mit Getränken, falls jemand noch etwas möchte.“
Eve eilt währenddessen direkt zum großen Fenster, unter dem sich der mild beleuchtete Park des Hotels erstreckt; dahinter verschwindet das Licht in den dichten Baumwipfeln.
Zufrieden nickt die Blondine. „Ja, auf jeden Fall weniger gruselig.“ Mit einem offenen Lächeln dreht sie sich zu den französischen Gastgebern um und sagt: „Hier gefällt’s mir!“
„Das freut mich“, antwortet Valerie und betrachtet Eve mit demselben, undurchdringlichen Gesichtsausdruck, mit dem sie sie unten an der Bar bedacht hat.
Eve bemerkt davon nichts, denn sie hat sich wieder umgedreht und betrachtet mit zutiefst faszinierter Miene die halbdunkle Szene unter ihr. Während die Anderen sich noch umsehen, nähert sich die Französin langsam der Frau am Fenster.
Ohne sich anzukündigen, umarmt sie Eve von hinten, streicht mit der anderen Hand die blonden Haare aus dem Nacken und küsst einen Halswirbel; sofort überzieht
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