Sommerhitze
geredet hat, fragt Lara schließlich: „Wir haben uns verlaufen, nicht wahr?“ Ihre Haare kleben durchnässt auf ihrem Rücken.
„Nein, nein“, sagt Malte. Er bleibt stehen, sieht nach oben und wischt sich Regenwasser aus dem Gesicht. „Ich muss mich nur kurz orientieren.“
„Ich wusste es!“, ruft Eve. „Ich wusste es einfach!“
„Alles gut, Eve“, versucht Connor, sie zu beruhigen. „Weit können wir ja nicht vom Bully entfernt sein.“
„Trotzdem!“, braust Eve auf. „Wir hätten uns einfach ein wenig vor dem Wagen abkühlen und dann wieder schlafen sollen! Aber nein! ,Was soll schon passieren?‘ Pah!“
„Hey, Eve“, sagt Lara und streichelt sanft Eves durchnässten Rücken. „Connor hat doch Recht: Weit können wir nicht entfernt sein.“
Eve lehnt sich zu ihr und sagt so leise, dass die Männer sie nicht hören: „Ich mag keine Wälder, Lara.“
Wieder streicht die Dunkelhaarige ihrer Freundin über das nasse Tanktop.
„Vermutlich sollten wir am besten einfach in die entgegengesetzte Richtung gehen“, schlägt Connor vor. „Wahrscheinlich ist das eine gute Idee.“
„Ich weiß nicht, ob das so empfehlenswert ist, mein Freund“, erwidert Malte. „Immerhin könnten wir-“
Auf einmal raschelt es in den dichten Gebüschen zwischen den hochgewachsenen Baumstämmen, Lara zuckt zusammen. Dann treten eine Frau und ein Mann aus der Dunkelheit, sofort kreischt Eve leise auf. Entschuldigend hebt der Mann mit einem freundlichen Lächeln die Hand und sagt in fließendem Deutsch mit französischem Akzent: „Können wir euch vielleicht helfen?“
Während der Barkeeper ihren Wodka Highball mit Ginger Ale auffüllt, sieht Eve sich fasziniert um. In den haselnussfarbenen, fast schwarzen Barmöbeln und dem dunkelbraunen Parkett am Boden schimmert die gelbliche Beleuchtung, die aufwendigen Wandgemälde sind im blassen Licht kaum zu erkennen. Der Regen klopft leise gegen die großen Fenster mit den halbrunden Spitzen, dahinter liegt nur Dunkelheit.
„Was ich nicht verstehe“, fragt Malte jetzt, „wenn ihr doch aus Montpellier kommt, was macht ihr dann hier?“
Jacques lacht und streicht sich über den glattrasierten Kopf. „Urlaub! Was sollen wir denn sonst hier machen?“
Valerie nippt an ihrem Orange Blossom, dann legt sie den Kopf auf der Schulter von Jacques ab und beginnt, ihre langen, roten Haare um die Finger zu wickeln. „Ich finde es lustig, dass ausgerechnet der Mann das fragt, der sich im Wald verlaufen hat.“ Ihr französischer Akzent beim Reden ist etwas stärker als der von Jacques.
Leise kichert Eve. „Da hast du Recht – ich bin übrigens sehr froh, dass ihr keine Serienkiller seid. Oder noch schlimmer: Wildschweine!“ Sie klingt leicht angetrunken.
Lara streichelt freundschaftlich ihren Kopf, während sie einwirft: „Ich glaube, Malte will sagen, dass er eure Hotelwahl sehr beeindruckend findet.“
Fast pikiert deutet Malte um sich und meint: „Natürlich! Das ist ja wohl ein Schloss hier; so etwas habe ich noch nie gesehen!“ Seine Bewegung ist so ausladend, dass er fast seinen Mint Julep verschüttet – wie die anderen fünf an der Bar ist auch er nicht mehr vollkommen nüchtern.
Wieder lacht Jacques sein sympathisches Lachen; selbst der Barkeeper muss grinsen, während er still die Gläser poliert.
„Ach, es ist eben das einzige, wirklich hübsche Hotel in Bussaco“, meint Valerie und winkt ab. „Wir wollten einfach schon immer einmal hierhin.“
„König Carlos von Portugal hat das Gebäude Ende des 19. Jahrhunderts übrigens wirklich als Sommerpalast bauen lassen, so falsch liegt Malte also gar nicht“, sagt Jacques, um dessen Augen immer noch kleine Lachfältchen prangen.
Nachdenklich kratzt Connor sich am Kopf. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir den halben Tag durch Bussaco gefahren sind, ohne das Gebäude überhaupt einmal zu sehen. Der Wald da draußen ist wirklich ganz schön dicht.“
„Das ist doch das Schöne!“, meint Valerie in Gedanken versunken. „Wie ein schwüler Traum.“
Eve schüttelt sich. „Ich bin nur froh, dass wir jetzt hier sind – sogar der Bully ist mir gerade egal.“
„Was habt ihr da draußen eigentlich gemacht?“, fragt Connor. „Ich glaube, wenn ich mir so ein Hotel wie das hier leisten könnte, würde ich gar nicht rausgehen.“
Jacques leert seinen Sidecar und stellt das Glas lautlos auf der Bar ab. „Einen Spaziergang“, antwortet er nur.
Auf einmal beginnt Eve zu kichern.
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