Sommerliches Schloßgewitter
eine Frau, die soeben ein schwieriges Problem gelöst hat.
»Ich halte seine Anwesenheit hier für unerläßlich«, sagte sie.
»Onkel Clarence scheint anderer Meinung zu sein.«
»Dein Onkel hat noch nie gewußt, was für ihn gut ist. Er hätte niemals den Sekretär entlassen dürfen, der als einziger imstande war, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern.«
»Kann Mr. Carmody das denn nicht?«
»Nein. Das kann er nicht. Und ich werde erst ruhig schlafen, wenn Mr. Baxter seine Stelle wieder hat.«
»Was spricht denn gegen Mr. Carmody?«
»Daß er nichts leistet. Außerdem«, sagte Lady Constance und legte ihre Karten auf den Tisch, »scharwenzelt er mir viel zuviel um dich herum, mein Kind. Anscheinend glaubt er, nur auf Blandings Castle zu sein, um dir den Hof zu machen.«
Diese Behauptung erschien Millicent unzutreffend. Zuerst wollte sie darauf hinweisen, daß sie und Hugo sich nur gelegentlich und obendrein heimlich trafen, aber dann fiel ihr ein, daß das unklug wäre. Sie beugte sich zu dem Spaniel hinunter. Bei genauem Hinsehen hätte man an ihr eine gewisse Abwehrhaltung bemerken können. Sie sah aus wie ein Mädchen, das im Begriff ist, sich mit einer Tante auseinanderzusetzen.
»Findest du ihn unterhaltsam?«
Millicent gähnte.
»Mr. Carmody? Nein, nicht besonders.«
»Ich halte ihn für einen langweiligen jungen Mann.«
»Todlangweilig.«
»Geistlos.«
»Geistloser geht’s nicht.«
»Und trotzdem warst du letzten Dienstag mit ihm reiten.«
»Immer noch besser als alleine zu reiten.«
»Und du spielst Tennis mit ihm.«
»Man braucht zum Tennisspielen einen Partner.«
Lady Constance preßte die Lippen zusammen.
»Ich wünschte, Ronald hätte deinen Onkel nie dazu überredet, ihn einzustellen. Clarence hätte ihm schon ansehen müssen, daß er unmöglich ist.« Sie schwieg einen Augenblick.
»Ich freue mich, wenn Ronald kommt.«
»Du solltest dich ein bißchen um ihn kümmern. Falls«, sagte Lady Constance in einem Ton, den jene, die ihr nahestanden, weit weniger an ihr schätzten als manches andere, »Mr. Carmody dir ab und zu etwas Zeit dafür läßt.«
Sie sah ihre Nichte scharf an, aber Millicent war scharfen Blicken seit ihrem sechzehnten Geburtstag jederzeit gewachsen. Außerdem glaubte sie an den Wahrspruch, daß Angriff die beste Verteidigung sei.
»Denkst du, daß ich in Mr. Carmody verliebt bin, Tante Constance?«
Lady Constance hatte nicht viel übrig für die direkte Art der jungen Generation. Sie errötete.
»An so etwas hätte ich nie gedacht.«
»Dann ist es ja gut. Das hatte ich nämlich befürchtet.«
»Ein vernünftiges Mädchen wie du würde natürlich sofort einsehen, daß eine Heirat mit einem Mann in seiner Stellung ausgeschlossen ist. Er hat kein Geld und wenig Zukunftsaussichten. Und dein Geld verwaltet dein Onkel für dich, und er würde nicht im Traum daran denken, es dir zu geben, wenn du unter deinem Stand heiraten solltest.«
»Na, da habe ich ja Glück, daß ich nicht in ihn verliebt bin, wie?«
»Großes Glück.«
Nach einer kurzen Pause kam Lady Constance auf ein Thema zu sprechen, das sie schon öfters angeschnitten hatte. Millicent hatte ihr von den Augen abgelesen, was jetzt kommen würde.
»Ich verstehe nicht, warum du nicht Ronald heiraten willst. Ihr würdet in jeder Beziehung zueinander passen. Ihr habt euch doch von klein auf gemocht.«
»Oh, ich habe den guten Ronnie wirklich gern.«
»Für deine Tante Julia war das eine große Enttäuschung.«
»Sie soll den Mut nicht verlieren. Mit etwas Ausdauer bringt sie ihn schon noch unter die Haube.«
Lady Constance warf den Kopf zurück.
»Es geht hier nicht um … Entschuldige meine Offenheit, mein Kind, aber ich glaube, du bist dir Ronalds zu sicher. Ich fürchte, du denkst, er wird immer für dich da sein und nur darauf warten, daß du dich entscheidest. Anscheinend bist du dir nicht darüber im klaren, was für ein attraktiver junger Mann er ist.«
»Je länger ich warte, desto mehr Zeit hat er, noch faszinierender zu werden.«
Bei anderer Gelegenheit hätte Lady Constance eine so kesse Bemerkung ausgiebig gerügt, aber jetzt schien es ihr nicht ratsam, vom Hauptthema abzuweichen.
»Er ist ein junger Mann, der auf die Mädchen anziehend wirkt. Übrigens, was ich dir sagen wollte, deine Tante Julia schrieb mir, daß sie während ihres Aufenthalts in Biarritz eine reizende junge Amerikanerin kennengelernt habe, eine Miss Schoonmaker, deren Vater anscheinend früher mit
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