Sommerliches Schloßgewitter
deinem Onkel Galahad befreundet war. Sie ist offenbar sehr von Ronald beeindruckt, und er von ihr. Er ist mit ihr nach Paris zurückgefahren und hat sie dort gelassen.«
»Wie treulos doch die Männer sind!« seufzte Millicent.
»Sie hatte Einkäufe zu erledigen«, sagte Lady Constance streng. »Inzwischen ist sie wahrscheinlich in London. Julia hat sie nach Blandings eingeladen, und sie hat zugesagt. Sie kann jeden Tag hier sein. Und ich meine, liebes Kind«, fuhr Lady Constance eindringlich fort, »daß du dir vor ihrer Ankunft genau überlegen solltest, welches deine wahren Gefühle für Ronald sind.«
»Du meinst, wenn ich nicht aufpasse, schnappt mir diese Miss Doopenhacker meinen Ronnie vor der Nase weg?«
So hätte Lady Constance das zwar nicht gerade ausgedrückt, aber sinngemäß stimmte es.
»Ganz recht.«
Millicent lachte. Es war offenkundig, daß ihr Blut sich weigerte, bei diesen Aussichten in den Adern zu erstarren.
»Da wünsche ich ihr viel Glück«, sagte sie. »Sie kann mit einer Vase von mir rechnen, und ich spiele auch Brautjungfer, wenn nötig. Verstehst du denn nicht, Tante Constance, daß ich nicht im entferntesten beabsichtige, Ronnie zu heiraten? Wir sind prima Freunde und alles, aber er ist nicht mein Typ. Zum Beispiel ist er mir zu klein.«
»Klein?«
»Ich bin fast einen Kopf größer als er. Wenn wir zum Altar gingen, würde es aussehen, als ob ich mit meinem kleinen Bruder einen Spaziergang machte.«
Auf diese Bemerkung hätte Lady Constance zweifellos eine Antwort gewußt, aber bevor sie dazu kam, kehrte die Prozession zu einer unerwarteten zweiten Vorstellung zurück. Diener James trug eine Schüssel mit Obstsalat, Diener Thomas ein Tablett mit einem Sahnekännchen. Beach beschränkte sich wie zuvor auf eine rein dekorative Rolle.
»Oooh!« rief Millicent erfreut. Und der Spaniel, der alle Speisen mit Sahne schätzte, nickte zustimmend.
»Na schön«, sagte Lady Constance nach dem Rückzug der Prozession, indem sie die Sache verloren gab, »wenn du Ronald nicht heiraten willst, dann eben nicht.«
»So ist es«, sagte Millicent beipflichtend und bediente sich mit der Sahne.
»Jedenfalls bin ich froh zu hören, daß es zwischen dir und diesem Mr. Carmody keine dummen Geschichten gibt. So etwas hätte ich nicht dulden können.«
»Er erfreut sich bei dir keiner großen Wertschätzung, wie?«
»Er ist mir sehr zuwider.«
»Ich möchte nur wissen, warum. So übel ist er doch gar nicht für einen jungen Mann. Onkel Clarence mag ihn, und Onkel Gally auch.«
Lady Constance besaß eine ausgeprägte, aristokratische Nase, die sich zum Rümpfen bestens eignete. Sie rümpfte sie jetzt ausgiebig.
»Kein Wunder, daß er deinem Onkel Galahad gefällt. Wahrscheinlich erinnert er ihn an die schrecklichen Männer, mit denen er in jungen Jahren in London zusammen war.«
»Mr. Carmody ist aber ganz anders.«
»Ach, wirklich?« Lady Constance rümpfte wieder die Nase. »Nun, ich erwähne es nicht gern, Millicent, denn ich bin so altmodisch zu glauben, daß man die Dinge des Lebens von jungen Mädchen fernhalten sollte, aber zufällig weiß ich, daß Mr. Carmody durchaus kein anständiger junger Mann ist. Ich weiß aus erster Hand, daß er mit irgendeiner Revuetänzerin liiert ist.«
Es ist gar nicht so einfach, sich plötzlich in einem tiefen Gartensessel kerzengerade aufzurichten, aber Millicent schaffte es.
»Was?!«
»Lady Allardyce sagte es mir.«
»Und woher weiß sie das?«
»Von ihrem Sohn Vernon. Es ist ein Mädchen namens Brown. Vernon Allardyce sagt, er hat sie häufig mit Mr. Carmody essen und tanzen gesehen.«
Es entstand eine längere Pause.
»Ein braver Junge, dieser Vernon«, sagte Millicent.
»Er erzählt seiner Mutter alles.«
»Das meine ich ja. Ich finde es ganz reizend von ihm.« Millicent stand auf. »Ich werde noch einen kleinen Spaziergang machen.«
Und sie ging in Richtung Rosengarten davon.
4
Ein junger Mann, der sich mit dem Mädchen seines Herzens um Punkt sechs im Rosengarten verabredet hat, geht natürlich schon kurz vor halb hin, um sich nicht zu verspäten. So hatte es auch Hugo Carmody gemacht, mit dem Ergebnis, daß er um drei Minuten vor sechs das Gefühl hatte, seit Beginn des Sommers zwischen Rosenbüschen zu leben.
Hätte jemand vor sechs Monaten zu Hugo Carmody gesagt, daß er sich Mitte Juli an einem lauschigen Plätzchen wie diesem herumdrücken würde, mit allen Fasern einem Mädchen entgegenfiebernd, dann hätte er nur gelacht.
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