Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
Königin Sterbliche gesucht und umworben. Nachdem Ashlyn gefunden war, hatte er ihr in ihrer Eingewöhnungsphase am Hof zur Seite stehen müssen. Und auch während ihrer Trauer über Seths plötzliches Verschwinden war seine Anwesenheit am Hof erforderlich gewesen, da er ihr helfen und sie ermutigen musste, Zuneigung zu ihrem König und ihrem Hof zu fassen.
Jeder Monarch hätte das getan.
Der Sommerhof brauchte eine Königin, die sich in erster Linie ihrem Hof und ihrem König verbunden fühlte. Ashlyns gemischte Gefühle hatten ihn zu einer Zeit geschwächt, als er eigentlich hätte erstarken sollen. Wenn Seth ganz bei Sorcha im Elfenreich geblieben wäre, wäre der Sommerhof nun stark, daran hatte Keenan keinen Zweifel. Denn dann hätte er zwei Monarchen, die, auch wenn sie sich nicht so liebten, wie er es sich erhofft hatte, einander doch zumindest zärtlich zugetan waren.
Was möglicherweise ausgereicht hätte.
Doch stattdessen war die Lage jetzt nur noch komplizierter geworden. Er fühlte sich so sehr zu seiner Königin hingezogen – und sie sich zu ihm –, dass es unmöglich war, ihre Verbindung zu ignorieren. Anfangs war er noch dankbar gewesen, dass Ashlyn an ihrem sterblichen Geliebten festgehalten hatte. Denn so hatte er trotz seiner Schuldgefühle eine Nacht mit der Elfe verbringen können, die er liebte, aber nicht haben konnte. Doch mit der Sonnenwende hatte auch der Traum geendet, mit Donia zusammen sein zu können. Die zweite Wintersonnenwende seit Donias Amtsantritt war in die Zeit seiner Abwesenheit gefallen, und die Unmöglichkeit, an diesem Tag zu ihr gehen zu können, hatte ihn verzweifeln lassen. Sie gehört mir nicht … ebenso wenig wie meine Königin. Der junge Mann, von dem Keenan geglaubt hatte, er wäre nur eine kurze Ablenkung für seine frisch gefundene Königin – eine Ablenkung, die Keenan Zeit für Donia gab –, war selbst zu einem Elfen geworden. Und schlimmer noch, Seth stand jetzt unter dem Schutz des wütenden Königs der Finsternis und der gefährlichen Königin des Lichts. Keenan verstand nicht, wie ein ehemals sterblicher junger Mann zu einem solchen Problem hatte werden können.
Angesichts von Seth und den übrigen Gefahren, die seinem Hof von außen drohten, hatte Keenan mehr Angst vor der Zukunft als früher, wo seine Macht noch beschränkt gewesen war. Damals hatte er nur eine einzige Bedrohung gekannt: Beira. Jetzt drohte seinem Hof aus zu vielen Richtungen gleichzeitig Gefahr. Bananach war stärker geworden, ebenso wie Nialls Hof der Finsternis. Selbst Sorchas Hof des Lichts, der ein verborgenes Dasein im Elfenreich führte, verursachte neuerdings Probleme. Keenan hatte von Sorchas derzeitiger Instabilität gehört.
Wegen Seth.
Das Wasser kam mit der steigenden Flut näher und Keenan wich vor den an den Strand schlagenden Wellen zurück. Dabei näherte er sich einem Felsvorsprung. Der Sand unter seinen nackten Füßen war jetzt nicht mehr weich, aber auch noch nicht von den scharfkantigen schwarzen Muscheln bedeckt.
»Was suchst du hier?«
Obgleich er gehofft hatte, mit einer Wasserelfe ins Gespräch zu kommen, erschrak Keenan, weil sie so plötzlich vor ihm auftauchte. Er hob den Blick und erspähte eine Vertiefung in dem Felsen neben ihm, in der sich eine Salzelfe verbarg. Ihre salzverkrusteten Haare hingen in dicken Strähnen bis zu ihren Schenkeln und bedeckten einen Großteil ihres durchscheinenden Körpers. Auf ihren sichtbaren Hautpartien glitzerten Salzkristalle, die sich sofort darauf bildeten, wenn sie das Wasser für mehr als ein paar Augenblicke verließ. Mit einer Hand, zwischen deren Fingern sich zum Teil Schwimmhäute spannten, stützte sie sich auf den Felsen, als hielte sie sich damit aufrecht.
Sie kam nicht näher, aber sie war ihm auch so schon nah genug, um ihm Unbehagen einzuflößen. Die Berührung einer solchen Elfe hätte selbst für ihn negative Folgen. Für viele andere war die Umarmung einer Salzelfe tödlich, auf Regenten wirkte sie jedoch lediglich schwächend. Sie hatte sich so positioniert, dass er zwischen ihr und dem Wasser stand, in dem andere ebenso unangenehme Elfen lauerten.
»Ich suche Verbündete«, sagte er zu ihr. »Mein Hof, der Sommerhof …«
»Wozu?« Ihr Blick schoss übers Wasser und kehrte dann abrupt zu ihm zurück. »Landsorgen sind nicht unsere Sorgen.«
»Die Kriegselfe wird immer stärker und sie …«
»Die Bestie ?« Die zarten Glieder der Salzelfe erbebten, woraufhin ein glitzernder Schauer
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