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Sommermond

Titel: Sommermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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Stunde einer halben Ewigkeit glich. Der gesamte Vormittag war eintönig und triste gewesen. Die einzige Abwechslung hatte ihm ein Ausflug in die Röntgenstation gebracht, in der seine Lunge noch einmal überprüft worden war. Die Drainage war nun abgeklemmt, aber die Schmerzen waren noch immer unerträglich. Nachdem Nick am frühen Morgen verschwunden war, hatte Ben sich ein paar Schmerztabletten geben lassen. Doch die verlangsamten nur seinen Denkprozess, als dass sie sich großartig an der Schmerzlinderung beteiligten. So schaffte Ben es trotz all seiner Bemühungen nicht, den gesamten Vorfall zu verarbeiten. Sein Verstand blockierte jegliche Details und wirkte wie eine Art Schutzwall. Vermutlich war das menschlich. Sein Körper wollte erst in Ruhe genesen, bevor er die seelischen Sorgen zuließ.
    Gerade, als er sich trotz des Stechens in seiner Brust auf die Seite legen wollte, klopfte es an der Tür. Ben sagte nichts. Er wusste, dass es vermutlich eine der Schwestern sein würde, um sich nach seinem Wohlergehen zu erkundigen. Und die traten immer einfach ein, das Klopfen galt lediglich als angedeuteter Versuch allgemeiner Höflichkeitsformen.
    Ben blieb auf dem Rücken liegen und starrte Richtung Tür. Erst passierte nichts. Eine Sekunde später wurde das weiße Holz in einer schnellen Geste aufgerissen. Hinein trat die Schwester, die sich schon den gesamten Vormittag um ihn kümmerte. Sie war noch relativ jung, vielleicht sogar sein Alter.
    „Ich möchte nur noch einmal nach Ihnen sehen“, sagte sie und schritt zielstrebig auf den Monitor zu, der Bens Puls und Blutdruck überwachte.
    „Wozu?“, fragte Ben. „Das sehen Sie doch bestimmt alles in ihrem Schwesternzimmer.“
    Die Angesprochene lächelte höflich und streifte sich eine schwarze Haarsträhne hinters Ohr. Mit ihrer Stupsnase wirkte sie plötzlich noch wesentlich jünger als bislang angenommen.
    „Wir können ja nicht nur auf die Geräte vertrauen“, sagte sie dann. Sie schien mit ihrer eigenen Antwort recht zufrieden zu sein. „Außerdem bringe ich Ihnen noch einen Essenszettel. Heute gibt’s für Sie Zufallsessen. Aber für die nächsten Tage können Sie sich Ihre Mahlzeiten selbst aussuchen.“
    Während sie sprach, zückte sie ein weißes Papier aus ihrer Tasche, faltete es auf und legte es auf Bens Nachtschrank. „Einfach das ankreuzen, was Sie essen möchten, okay?“
    Ben musste kurz lachen.
    „ Okay “, gab er grinsend zurück. Sie musste noch sehr jung sein. Das war ihm nun klar.
    „Haben Sie sonst noch irgendwelche Fragen?“
    „Ja, ähm …“, begann Ben und deutete auf den Monitor zu seiner Linken. „Wie lange muss ich noch an dem Teil hängen? Die ganzen Kabel sind echt ätzend.“
    „Ach“, erwiderte sie und machte eine abtuende Geste, „morgen kommt das sicher ab. Aber nach einer OP müssen wir einfach beobachten, ob die Patienten stabil sind.“
    Ben nickte nur und hoffte, dass sie recht hatte.
    Als sie sich dann zum Gehen umwandte, durchkroch ihn ein unangenehmes Gefühl. Es war fast, als ob er die Schwester lieber bei sich behalten hätte. Einfach, um nicht allein sein zu müssen und von seinen wirren Gedanken abgelenkt zu werden.
    „Bis später!“, verabschiedete sie sich noch und schritt zur Tür.
    Ben nickte erneut, auch, wenn sie es nicht sah. Er beobachtete, wie sie in den Flur trat und von außen nach der Türklinke griff. Leise seufzte er auf und ließ sich noch tiefer in die Matratze sinken. Doch gerade, als er seine Augen für einen kurzen Moment schließen wollte, hörte er eine bekannte Stimme.
    „Ich muss da rein!“, schnaufte diese aufgebracht.
    „Okay. Und wer sind Sie?“, hörte Ben die junge Schwester fragen.
    „Ich bin … sein Bruder.“
    Ben runzelte die Stirn und richtete sich etwas auf. Seine Schmerzen ignorierte er einen Moment lang.
    Die Schwester warf ihm einen fragenden Blick zu. Ben musste sich bemühen, nicht allzu kritisch zurückzuschauen und nickte schließlich.
    „Ja, das ist mein Bruder.“
    Die Schwester nickte erneut, bevor sie sich endgültig abwandte und in Richtung weiterer Patientenzimmer verschwand. Ben wusste selbst nicht, warum er dieses Spiel mitmachte, verstand es nicht einmal. Er hatte reflexartig geantwortet. Mehr nicht.
    Geistesabwesend beobachtete er, wie die Tür nun von innen zugezogen wurde. In seinem Körper brach eine chaotische Gefühlsexplosion aus. Unsicherheit überkam ihn, gleichzeitig Angst und Unwissenheit und nicht zuletzt das altbekannte Kribbeln,

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